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Manche Kommentatoren bleiben skeptisch. Die Rede habe nicht komplett den Eindruck zerstreuen können, dass sich hinter der flüssigen Rhetorik wenig Substanz verberge, schrieb die konservative Tageszeitung "Daily Telegraph".
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Die meisten waren sich aber über die Absicht von David Cameron, seit einem Jahr Führer der britischen Konservativen, einig: Bei seiner Abschlussrede zum Parteitag der Conservative Party in Bournemouth demonstrierte er, dass er die Tories in die Mitte des politischen Spektrums führen will. Und dabei bedient er sich ungeniert der Rezepte des Noch-Labour-Premiers Tony Blair.
Dieser hat kürzlich seinen Rücktritt im kommenden Jahr angekündigt, als wahrscheinlichster Nachfolger gilt sein Schatzkanzler Gordon Brown. Diesem wird allerdings die (mittlerweile verblasste) Strahlkraft von Blair abgesprochen.
Die Lücke, die er punkto Medienpräsenz und Dynamik hinterlassen wird, verspricht Cameron aufzufüllen. Der Jungpolitiker, der am 9. Oktober 40 Jahre alt wird, richtet sein Augenmerk nicht auf die Traditionsbewussten, sondern auf die Internet-Generation. Tatsächlich hat die Jugendorganisation der Tories die Mitgliederzahlen der konkurrierenden Parteien weit hinter sich gelassen, an den Universitäten wird reger Zustrom zur Partei verzeichnet.
Auch in Bournemouth richtete Cameron Signale an junge Wähler: In sein Plädoyer für eine Politik zugunsten von Familien schloss er Homosexuelle mit ein. Für junge Menschen müsste mehr und billiger Wohnraum geschaffen werden - auch in jenen Gartenlandschaften, in denen die Anhänger der Konservativen ihre Häuser haben. Für Umweltanliegen trat der Tory-Führer gleichfalls ein, mit dem Hinweis, dass dieses Engagement auch etwas kosten werde. Und er legte ein Bekenntnis zum NHS ab, dem nationalen Gesundheitsdienst, der nach dem Zweiten Weltkrieg von der Arbeiterpartei aufgebaut worden war.
Kritik an Tony Blair gab es auch, aber nur graduell: Zwar verteidigte er die Einsätze im Irak und in Afghanistan, aber der jetzige Premier habe sich zu sehr an die USA angelehnt. Er verfolge die großspurigen Modelle, die Welt zu verändern, mit Skepsis, meinte er zur US-Außenpolitik. Dennoch verteidigte Cameron die drei Labour-Amtsperioden: Nicht alles sei schlecht, was seit 1997 geschehen sei.
Den Anhängern der einstigen Premierministerin Margaret Thatcher stößt der neue Kurs sauer auf. Mit Missfallen registrierten sie, dass die neue Führung keine Steuersenkungen versprechen will. Viele Beobachter glauben daher, dass die Modernisierung der Konzepte bei den eigenen Leuten schlechter ankommt als bei den Wählern. Diesen ist Cameron schon sympathischer als die Labour-Konkurrenz. Seinem künftigen Konkurrenten Brown wird allerdings noch mehr Führungskompetenz zugetraut. Dass er diese ebenso besitzt, muss Cameron in der eigenen Partei noch beweisen. Seite 6