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Das Fifa-Verbot politischer Botschaften wirkt nur bedingt. Denn das Sterben im Iran spielt in Katar mit.
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Man kann nicht nicht politisch sein: Bei der Fußball-WM in Katar erfährt diese im 20. Jahrhundert geschmiedete Erkenntnis ihre Bestätigung auch für den durchkommerzialisierten Massensport. Und der Weltfußballverband Fifa ist dafür der beste, wenngleich nicht einzige Garant.
Eigentlich untersagen die Fifa-Statuten politische Botschaften im Rahmen ihrer Spiele. Aber dieses Verbot ist relativ. Als im Frühjahr 2021 mehrere europäische Mannschaften im Zuge der Qualifikation für die WM in Katar mit Slogans für Menschenrechte Stellung bezogen, hat die Fifa keine Sanktionen verhängt.
Damals war das Turnier im autoritär regierten Emirat noch weit weg. Und mitten in Europa wollte die Fifa nicht unnötig vor der Zeit Öl ins Feuer gießen. Wer weiß, womöglich hätten Europas Verbände da noch einen längeren Machthebel ansetzen können . . .
Am Montag, dem zweiten Tag der WM, waren die Machtverhältnisse dann eindeutig: Die Fifa drohte einigen Teams, die ein Zeichen für die Rechte sexueller Minderheiten setzen wollten, mit sportlichen Sanktionen - und prompt ließen sie von der Idee ab.
Konsequenzen gänzlich anderer Natur müssen dagegen die Spieler des Iran fürchten. Nicht, weil die Mannschaft mit 2:6 gegen den Favoriten aus England unterging, sondern weil sie kollektiv das Mitsingen ihrer Hymne aus Solidarität mit den Protestierenden zuhause verweigerte. Die Rache des Regimes in Teheran für diese für die Weltöffentlichkeit sichtbare Unterstützung hat für die Mannschaft das größere Gefahrenpotenzial. Zumal sich auch die iranischen Fans im Stadion mit Botschaften gegen die Theokraten in Teheran positionierten.
Die WM in Katar hat mit den Protesten der Menschen im Iran vom Start weg eine tief ernste, ja dramatische Dimension. Die Toten spielen mit. (Angesichts dessen erweist sich der Ausschluss Russlands womöglich als Gefallen für den Kreml.) Das Beharren der Fifa auf dem Verbot politischer Botschaften kann daran nichts ändern.
Gleichzeitig zeigt sich, dass die Folgen oft nur regional, ja mitunter nur national sind. Die humanitären Botschaften der Verbände während der WM zielten auf die europäische Öffentlichkeit; das symbolische Schweigen der iranischen Mannschaft brüskiert das Regime in Teheran. Der Versuch der Europäer, Katars sexuelle Minderheiten symbolisch zu umarmen, war dagegen ein leichtes Opfer der Fifa und der katarischen Herrscher. Zumal von einem weltweiten Zuschauerboykott weit und breit nichts zu sehen ist. Das Spiel ist für die meisten immer noch vor allem und bloß: ein Spiel.