Textilfabriken sollen sicherer werden - ob das umgesetzt wird, ist aber fraglich.
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Sonel Rana hat hoch gepokert - und verloren. Um Geld zu sparen, verwendete der Geschäftsmann aus Bangladesch bei der Errichtung des Rana Plaza minderwertige Baumaterialien - die Folgen waren tragisch und sind bekannt: Mehr als 1000 Menschen verloren bei dem Einsturz des mehrstöckigen Gebäudes, in dem sich Textilfabriken befanden, ihr Leben.
Ein Untersuchungsausschuss der Regierung von Bangladesch hält nun fest, dass beim Bau des Rana Plaza ordentlich gepfuscht wurde. Und Sonel Rana, der früher hochrangige Politiker zum Billard empfing, wird als "Hauptschuldiger" der Katastrophe bezeichnet, ihm droht lebenslange Haft. Rana sei durch Schwarzgeld reich geworden und fing an, sich über Gesetze und Vorschriften hinwegzusetzen, sagte Ausschussleiter Main Uddin Khandaker. Und: Rana "ist das Nebenprodukt unserer verdorbenen Politik und steht für den dekadenten Teil unserer Gesellschaft".
Damit macht Khandaker deutlich, dass Rana, der selbst eine Funktion in der regierenden Awami League innehatte, nicht die einzige dubiose Persönlichkeit an der Schnittstelle von Geschäft und Politik ist. Und auch die Verhältnisse in der Textilindustrie, in der einige Fabriken dem Rana Plaza ähneln, spiegeln die Lage im ganzen Land wider: Es ist in Bangladesch ein offenes Geheimnis, dass viele Regeln mit genügend Schmiergeld umgangen werden können. So sind etwa Appartementblocks plötzlich doppelt so hoch wie erlaubt, wodurch mehr Mieteinnahmen in die Taschen der Inhaber fließen.
Ignoranz westlicher Firmen
Gleichzeitig wirft die Katastrophe im Rana Plaza aber auch ein Schlaglicht auf die Ignoranz der westlichen Firmen. In den Trümmern fanden Gewerkschafter Kleidungsreste verschiedener Unternehmen, etwa von Kik oder Primark. Viele westliche Firmen scherten sich bisher nur wenig um Arbeitsbedingungen in den Produzentenländern.
In den vergangenen Tagen hat sich hier aber einiges getan. Es ist traurig, aber die Toten von Rana Plaza waren dabei offenbar ein Weckruf: Mehr als 30 Unternehmen, darunter große Ketten wie H&M oder Benetton, traten einem mit Gewerkschaften ausgehandelten Sicherheitsabkommen bei. Nun sollen Brandschutz- und Bauvorschriften in den Fabriken von unabhängiger Seite überprüft werden. Einige große Bekleidungskonzerne, etwa die US-Kette GAP, verweigern sich aber dem Abkommen.
Es wird sich erst weisen, wie sehr diese Kontrollen greifen. Wenn aber alles gut läuft, weist sich das Abkommen als erster Schritt in Richtung verbesserter Arbeitsbedingungen in Bangladesch. Zudem könnte der Vertrag auch Vorbild für andere Billiglohnländer werden. Auch weitere Entwicklungen in Bangladesch stärken die Arbeiter: So hat die Regierung angekündigt, den Mindestlohn zu erhöhen.
Doch gerade die jüngsten Vorhänge könnten auch eine zynische Entwicklung in Gang setzen und den Standort Bangladesch, der von der Textilindustrie abhängig ist, schwächen: Die Kosten steigen nun und der Einfluss der Gewerkschaften wächst. Zudem ist Ware aus Bangladesch seit der Katastrophe im Rana Plaza mit einem Stigma behaftet, bei westlichen Konsumenten wurde über einen Boykott diskutiert.
All dies könnte die Textilindustrie dazu verleiten, aus Bangladesch abzuwandern. Damit wäre den Näherinnen, die ihre Arbeit verlieren würden, nicht geholfen, warnen Gewerkschafter. Und produziert werden würde wohl in anderen Billiglohnländern, in denen die Verhältnisse ähnlich sind: In Kambodscha starben kürzlich mehrere Menschen beim Einsturz eines Daches in einer Schuhfabrik. Und in Pakistan ließen bei Bränden in Textilfabriken schon hunderte Menschen ihr Leben.