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Deutschland sollte sich entscheiden: Will es die Eurozone verlassen oder die Rolle eines wohltätigeren Hegemons einnehmen - und davon profitieren?
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Ich war immer ein leidenschaftlicher Verfechter der Europäischen Union als Inbegriff einer offenen Gesellschaft - einer freiwilligen Vereinigung gleichwertiger Staaten, die Teile ihrer Souveränität für das Gemeinwohl aufgegeben haben. Die Euro-Krise verändert die EU völlig.
Die EU-Mitglieder sind in zwei Lager gespalten - Gläubiger und Schuldner -, wobei die Gläubiger das Sagen haben, allen voran Deutschland. Die Schuldnerländer zahlen erhebliche Risikoprämien, um ihre Staatsschulden zu finanzieren, wodurch sie in eine Depression gedrängt wurden sowie in einen deutlichen - vielleicht permanenten - Wettbewerbsnachteil. Das ist nicht das Ergebnis eines vorsätzlichen Plans, sondern einer Serie strategischer Fehler, die mit der Einführung des Euro begonnen hat.
Jeder wusste, dass der Euro eine unvollständige Währung ist - er hatte eine Zentralbank, aber kein Finanzministerium. Der Ablauf der Ereignisse der aktuellen Euro-Krise hätte beinahe zu jedem Zeitpunkt angehalten und umgekehrt werden können, aber dazu hätte es eines gemeinsam abgestimmten Plans und einer Unmenge an Geld bedurft.
Meiner Einschätzung nach ist es das Beste, Deutschland davon zu überzeugen, sich zu entscheiden, ob es ein wohltätigerer Hegemon sein oder den Euro verlassen will. Wenn Deutschland geht, dann wird der Euro abgewertet. Damit würde sich die Schuldenlast real verringern, und die Schuldnerländer würden ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen. Die Gläubigerländer müssten Verluste hinnehmen, würden jedoch danach trachten, diese so gering wie möglich zu halten. Das würde letztendlich zu John Maynard Keynes Traum einer internationalen Währung führen, bei der Gläubiger und Schuldner die Verantwortung zur Erhaltung der Stabilität teilen.
Es mag überraschen, aber die Eurozone würde auch ohne Deutschland in fiskalen Standardgrößen besser als Großbritannien, Japan oder die USA abschneiden.
Ein Austritt Deutschlands wäre ein störendes, aber verkraftbares Einmal-Event - anstelle eines chaotischen und fortgezogenen Dominoeffekts, der ein Schuldnerland nach dem anderen aus dem Euro drängt, sei es durch Spekulation oder Kapitalflucht.
Auch die Immobilienprobleme wären leichter verkraftbar. Ein deutlicher Unterschied im Wechselkurs würde deutsche Investoren dazu bringen, in spanische und irische Immobilien zu investieren.
Auch die Weltwirtschaft generell würde sich erholen, und Deutschland könnte, nachdem es sich an die Verluste angepasst hätte, seine Rolle als führender Produzent und Exporteur hochqualitativer Mehrwertprodukte wiedererlangen. Es würde von der allgemeinen Verbesserung profitieren. Trotzdem sind die kurzfristigen Verluste so groß, dass das ganze Szenario unrealistisch ist.
In einer noch besseren Situation wäre Deutschland, wenn es sich für die Rolle des wohltätigeren Hegemons entschiede. Das würde vorübergehend eine höhere Inflation erfordern - aber Europa bliebe das Chaos erspart, das ein Euro-Austritt Deutschlands mit sich brächte.
Übersetzung: Redaktion