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Die Trauben in Nachbars Garten

Von Johann Werfring

Europaarchiv

Als kürzlich die österreichische Eishockeynationalmannschaft gegen Slowenien spielte, stolperte der ORF-Kommentator sprachlich, indem er das slowenische mit dem - nebenbei weltbesten - slowakischen Team verwechselte und sich erst im Nachsatz korrigierte. Obgleich die Slowakei unmittelbar an Österreich angrenzt und deren Hauptstadt Bratislava lediglich 50 Autominuten von Wien entfernt ist, wissen die meisten Österreicher so gut wie nichts über ihre nordöstlichen Nachbarn. Nun haben die Winzer der Weinregion Carnuntum begonnen, mit ihren transdanubischen Kollegen zarte Bande anzuknüpfen. Für die österreichische Gesamtweinwirtschaft spielt die Slowakei seit mehreren Jahren eine nicht unbedeutende Rolle.


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In den Zeiten der alten Tschechoslowakei gab es auf dem Terrain unseres nördlichen Nachbarn ein geflügeltes Wort: "Die Slowaken keltern den Wein und die Tschechen brauen das Bier." Tatsächlich besitzt die Slowakei insgesamt bessere Bedingungen für den Weinbau als der größere slawische Anrainer, obgleich es auch in Tschechien bedeutende Weinbauorte gibt. In beiden Ländern werden vor allem Weißweine produziert.

Zu den ältesten Weinbaugebieten der Slowakei zählt Preßburg. Diese Stadt, in der 1884 von deutschen Winzern eine moderne Weinbauschule gegründet wurde, sollte auch späterhin im Kampf gegen die Reblaus eine Rolle spielen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Preßburg ein bedeutendes europäisches Weinzentrum mit florierendem Weinhandel.

Nach dem 2. Weltkrieg änderte sich die Situation rapide, denn mit der Verstaatlichung von Grund und Boden kam es auch in der slowakischen Weinwirtschaft zu einem abrupten Traditionsbruch. Billige Massenweine und Esstrauben standen bei den Genossen höher im Ansehen als Qualität und so kam es - einhergehend mit dem Abbau des bäuerlichen Wissens - unter kommunistischer Ägide rasch zu einem gravierenden Verfall der hochrangigen Weinkultur.

Nachdem das Land im Jahr 1989 das Joch des Kommunismus abgestreift hatte, stand die slowakische Weinwirtschaft erst recht vor einem Dilemma, da einerseits die alten Eigentumsverhältnisse aus den Zeiten der Monarchie nicht mehr herstellbar waren, andererseits aber der verstaatlichte Grund und Boden nun irgendwie aufgeteilt werden musste. Als zwischen 1990 und 1995 die Privatisierung über die Bühne ging, gab es bei der Verteilung der Grundflächen zwar offizielle Kriterien wie Fachlichkeit, Ausbildung und landwirtschaftliche Erfahrung, jedoch kam es letztlich durch Vettern- und Freunderlwirtschaft bei der Zuteilung der ehemals verstaatlichten Flächen in nicht wenigen Fällen - vor allem bei der Vergabe von Großbetrieben - zu beträchtlichen Unregelmäßigkeiten, wie heute innerhalb der Branche hinter vorgehaltener Hand immer wieder beteuert wird.

Bewährungsprobe

Die letzten zehn Jahre sind gekennzeichnet vom Bemühen der slowakischen Weinwirtschaft um eine Stabilisierung; vor allem mussten sich die zahlreichen kleineren Betriebe enorm abmühen, um innerhalb des neuen Wirtschaftssystems bestehen zu können. Die große Bewährungsprobe steht diesen jedoch erst in den kommenden Jahren mit den veränderten Marktbedingungen innerhalb der Europäischen Union bevor. Wie Michal Kolarik, Direktor des Preßburger Weininstituts, gegenüber der "Wiener Zeitung" erklärte, bestehen innerhalb der slowakischen Winzerschaft hinsichtlich des EU-Beitritts zwar diffuse Ängste, man hoffe jedoch, dass seitens der EU Maßnahmen gesetzt werden, die den Betrieben ein Bestehen in der Gemeinschaft ermöglichen.

Weinpartnerschaft

Seit kurzem gibt es in der Grenzregion gemeinsame Aktivitäten von österreichischen und slowakischen Winzern. Nachdem im Dezember 2002 slowakische Weinbauern im Schloss Rohrau zu Gast waren, präsentierten sich kürzlich namhafte Winzer der Region "Römerweinstraße Carnuntum" im Rahmen ihrer Partnerschaft mit der "Weinstraße Kleine Karpaten" in der Österreichischen Botschaft in Bratislava. Mit solchen Aktionen sollen nicht nur Handelsaktivitäten ausgebaut, sondern auch freundschaftliche Beziehungen geknüpft und gefestigt werden.

Während die Slowakei 1997 in der Liste der Abnehmerländer österreichischer Weine noch an unbedeutender Stelle rangierte (damals Platz 29), konnte Österreich seine Exporte ins Nachbarland in den nachfolgenden Jahren kontinuierlich steigern. Bereits 2001 war die Slowakei - bezogen auf die Absatzmenge von Wein - der drittwichtigste Handelspartner Österreichs. Der Einbruch um 73,8 % im Jahr 2002 ist zwar beträchtlich, dürfe jedoch laut österreichischer Außenhandelsstelle in Bratislava nicht dramatisiert werden, zumal die Gesamtweinimporte in die Slowakei großen Schwankungen unterliegen. Da der österreichische Billigwein (2002 betrug der durchschnittliche Literpreis für österreichischen Exportwein in die Slowakei 0,15 Euro) im Nachbarland noch zusätzlich mit anderen, beispielsweise bulgarischen Weinen verschnitten und zum Teil Richtung Osten weiter exportiert wird, spielen auch die slowakischen Erfolge beim Export solcher Weine eine Rolle.

Während in den Vinotheken von Bratislava im Edelsegment neben heimischen vor allem italienische und französische Weine zu finden sind, spielen österreichische Rebsäfte derzeit kaum eine Rolle. In dieser Hinsicht möchte sich die grenzenlose Weinpartnerschaft um Abhilfe bemühen. Umgekehrt wollen die Slowaken ihre Spitzenweine auch in Österreich verstärkt bekannt machen.