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Die Tricks der Republikaner

Von Daniel Haufler

Gastkommentare

Schmutziger Wahlkampf wird in den USA vor den Midterms auch auf sehr subtile Weise geführt.


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Die Republikaner in den USA kämpfen mit allerlei Tricks nicht nur gegen den politischen Gegner, sondern gegen das demokratische System als Ganzes. Einmal mehr, einmal weniger konspirativ tun sie seit Jahren alles, damit Minderheiten und junge Wähler keine Chance haben, bei den Midterm Elections am 6. November ihre Stimme abzugeben.

Die aktuelle Lage von Afroamerikanern oder Hispanics erinnert fatal an einen Witz, den sich Schwarze in den düstersten Jahren ihrer Diskriminierung vor mehr als 100 Jahren erzählten: "Ein schwarzer Professor der Harvard-Universität zieht in einen der Südstaaten und will ins Wählerverzeichnis aufgenommen werden. Voraussetzung dafür sei, sagt ein weißer Beamter, dass der schwarze Mann einen Absatz aus der Verfassung vorlese. Das tut der Professor problemlos. Daraufhin verlangt der Beamte, dass er einen Absatz in Spanisch vorliest und übersetzt. Als der Schwarze auch das gemacht hat, soll er Absätze in Französisch, Deutsch und Russisch vorlesen und übersetzen. Kein Problem für den Professor, der all diese Sprachen beherrscht. Schließlich hält der weiße Beamte ihm eine Textpassage in Arabisch hin. Daraufhin sagt der Schwarze: Mein Arabisch ist etwas eingerostet, doch ich glaube, hier steht: ‚Neger dürfen in diesem Land nicht wählen!‘"

Heute lässt sich dies auf alle Minderheiten ausdehnen. Denn sie alle stimmen weit überwiegend nicht für die Republikaner - und dafür hat es nicht einmal den rassistischen Präsidenten Donald Trump gebraucht. Zwar gibt es derzeit keine Tests mehr, wie es sie teilweise bis in die 1960er für Schwarze ja wirklich gab, um sie vom Wählen abzuhalten. Die Methoden sind subtiler geworden. Doch unter dem Vorwand, gegen Wahlbetrug zu kämpfen, haben sich die Republikaner allerlei Schikanen einfallen lassen, die es Minderheiten schwerer machen, an der Wahl teilzunehmen.

Punktgenaue Maßnahme gegen unerwünschte Stimmen

Ein besonders absurdes Beispiel liefert North Dakota. Dort hat 2012 die Demokratin Heidi Heitkamp mit knapp 3000 Stimmen Vorsprung einen Sitz im Senat errungen. Das war ein schwerer Schlag für die Republikaner, die in dem Bundesstaat seit Jahrzehnten jede wichtige Wahl gewonnen hatten. Ihre Reaktion: Sie führten eine Regelung ein, wonach jeder potenzielle Wähler sich nur registrieren lassen kann, wenn er seine Anschrift mit Straße und Hausnummer angibt.

Das klingt auf den ersten Blick harmlos. Nur: Die Nachfahren der Ureinwohner (Native Americans) in North Dakota leben meist in Reservaten, in denen es keine Straßen mit Hausnummern gibt. Das war bisher nie ein Problem beim Wählen. Da die etwa 30.000 Native Americans aber vor vier Jahren Heitkamp zum Sieg verholfen haben, wollen die Republikaner sie mit dieser punktgenauen Maßnahme von den Wahlurnen fernhalten. Noch ist nicht sicher, ob sie damit durchkommen. Doch es dürfte gewiss einige Wähler davon abhalten, ihre Stimme abzugeben.

Nicht viel besser steht es um Georgia. Dort liefert sich bei der Gouverneurswahl der republikanische Innenminister des Bundesstaates, Brian Kemp, laut Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Demokratin Stacey Abrams. Um seine Wahlchancen zu verbessern, missbraucht Kemp sein Amt, aufgrund dessen er auch für die Wählerregistrierung zuständig ist: Er verweigert im Moment 53.000 Bürgern das Wahlrecht, da ihre Adressangaben im Wählerverzeichnis minimal von anderen amtlichen Angaben abweichen - also etwa "Str." statt "Street". Und siehe da: Zufällig sind zu 70 Prozent davon Schwarze betroffen, die ziemlich sicher für die schwarze Demokratin Abrams stimmen würden.

Kemp hat diese Maßnahme schon 2014 extra von einer Arbeitsgruppe entwickeln lassen, als sich abzeichnete, dass Minderheiten - neben den Afroamerikanern auch Hispanics und asiatischstämmige Amerikaner - sich immer öfter zu Wahlen registrieren lassen. Schließlich gefährdet das die republikanische Herrschaft im seit Jahrzehnten republikanisch und von Weißen dominierten Georgia.

Diskriminierung von Minderheiten

Das sind nur zwei im Augenblick besonders markante Beispiele für die anti-demokratische Politik der Republikaner. In anderen Bundesstaaten wie Georgia oder Texas werden einfach Wahllokale in Regionen geschlossen, in denen vornehmlich Minderheiten oder Studenten leben. Wer wählen will, muss dann oft 50 Meilen weit fahren. Einer Studie des renommierten Brennan Center for Justice zufolge haben die Konservativen in den USA bisher 99 Gesetze in 31 Bundesstaaten verabschiedet, die das Wählen für Minderheiten erschweren.

Als grundlegend für diese Regelungen können zwei Entscheidungen des obersten US-Gerichtes, des Supreme Court, gelten. Dank seiner konservativen Mehrheit erlaubte er 2008 dem Bundesstaat Indiana (Crawford versus Marion County), eine Bildausweispflicht bei Wahlen einzuführen, die Minderheiten diskriminiert. Dazu muss man wissen, dass es in den USA keinen Personalausweis gibt. Stattdessen dient etwa der Führerschein als Ersatz. Und viele, zumal ältere Afroamerikaner haben den eben nicht.

Neue Wahlkreisgrenzen zugunsten der Republikaner

2013 beschnitt der Supreme Court dann obendrein das Wahlrechtsgesetz von 1965 (Shelby County versus Holder). Bis zu dieser Entscheidung bestimmte ein Passus (Sektion 5), dass US-Bundesstaaten ihre Wahlgesetze vom Justizministerium prüfen lassen mussten, wenn sie in ihrer Geschichte Minderheiten diskriminiert hatten. Das galt vor allem für die Südstaaten. Diese Einschränkung fiel 2013 weg, und prompt führten Staaten wie Alabama, Mississippi oder Arizona neue diskriminierende Ausweispflichten ein - oder sie schafften wie Ohio die Möglichkeit ab, vor dem Wahltermin seine Stimme abzugeben. Ein Recht, wen wundert’s, das gern Minderheiten in Anspruch nahmen.

Das ist aber längst noch nicht alles. Zu diesen und etlichen anderen Maßnahmen der Wählerdiskriminierung kommt hinzu: Schon im Jahr 2010 haben die republikanisch regierten Bundesstaaten viele Wahlkreisgrenzen neu und zu ihren Gunsten gezogen. Das Ergebnis: Die Demokraten müssen bei den Wahlen im November sieben bis acht Prozentpunkte mehr erreichen als die Republikaner, um die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu erringen. Auch in etlichen Bundesstaaten sitzen die Demokraten in der Opposition, obwohl sie deutlich mehr Wählerstimmen als die Republikaner bekommen haben.

Kurz gesagt: Die Republikaner arbeiten spätestens seit Barack Obamas Präsidentschaftswahlsieg energisch an der Abschaffung der freien und gleichen Wahlen in den USA. Denn die Wahl eines Schwarzen zum Präsidenten offenbarte, was die Wählerstimmen der Minderheiten mittlerweile bewirken können. Die Konservativen scheuen daher nicht vor unmoralischen Tricks zurück oder sie verabschieden Gesetze, die nicht rechtmäßig sind, und ignorieren immer wieder sogar Gerichtsentscheidungen, die ihre Gesetze für verfassungswidrig erklären.

Die weiße Mehrheit wird bald nicht mehr die Mehrheit sein

All das tun die Republikaner, um an der Macht zu bleiben - eine Macht, die sich auf die weiße Mehrheit stützt, die bald nicht mehr die Mehrheit sein wird. Der demographische Wandel schreitet auch in den USA unaufhaltsam voran. Statt sich zu öffnen, setzt die Partei dennoch auf eine, zumal in der Trump-Ära, radikale Gruppe von WählerInnen, von der sogar einige mit Bürgerkrieg drohen, sollten sie die Wahlen im November und in zwei Jahren das Weiße Haus verlieren. Das könne schließlich dann ja nur auf Wahlbetrug zurückgehen.

Die Partei von politischen Ikonen wie Abraham Lincoln, Theodor Roosevelt und Ronald Reagan hat sich nicht erst seit Donald Trumps Auftreten in den vergangenen Jahren in einem Maße radikalisiert und von den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats abgewandt, dass die Folgen unabsehbar sind. Schließlich war das US-System der "Checks and Balances" immer auf letztlich undogmatische Parteien ausgerichtet, eigentlich nicht einmal auf Parteien, sondern auf verantwortungsbewusste Politiker im Kongress. Wenn es diese in einer der beiden wichtigen Parteien kaum noch gibt, ist das politische System fast am Ende. Die Republikaner werden ihren Kampf von sich aus nicht beenden. Nur eine möglichst schwere Niederlage kann die letzten Vertreter der Vernunft in der Partei gegen die Radikalinskis stärken. Vielleicht jedenfalls.

Falls es nicht so kommt, erweist sich der alte Witz mit dem schwarzen Professor als Dystopie für alle Minderheiten und die Demokratie der USA.