Neue Ungewiss-heiten für politische Grenzen. | Kosovo-Premier wirbt für staatliche Unabhängigkeit. | Alpbach. Heute geht es nicht mehr darum, Räume und Grenzen zu kontrollieren, sondern Ströme - von Menschen, Ideen, Waffen, Waren. Drastischer lässt sich der Paradigmenwandel in der nationalen und internationalen Sicherheitspolitik nicht ausdrücken. Damit ist aber auch die einstige Gewissheit geographischer und politischer Grenzen geschwunden, über deren Folgen am Dienstagnachmittag bei den Alpbacher Politischen Gesprächen diskutiert wurde.
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Agim Ceku, Premierminister der mehrheitlich von Albanern bewohnten serbischen Provinz Kosovo, nutzte die Gelegenheit, um für die staatliche Unabhängigkeit seines Landes zu werben. Erst, wenn die Menschen Kosovaren wüssten, "in welchem Land sie wohnen, wer für ihre Sicherheit und ihre Gesundheit sorgt", würde in dieser instabilen Region Sicherheit und Gewissheit - das Motto des diesjährigen Forums Alpbach - herrschen. Und in der Folge eine reibungslose Integration in die Europäische Union ermöglichen. Über die Folgen dieser für die Kosovaren erstrebenswerten Gewissheit für die Serben machte Ceku allerdings keine Angaben.
Zu enges Verständnis nationaler Sicherheit
Obwohl sie über Unabhängigkeit und feste Grenzen verfügen, fühlen sich aber auch die Mitgliedstaaten der EU und die USA alles andere als sicher. Dabei bemühen sie sich nach Kräften, so perfekt wie möglich ihre Grenzen und die hereinströmenden Menschen zu kontrollieren. Für Esther Brimmer von der John Hopkins-Universität in Washington liegt der Grund für deren Unsicherheit in einem zu engen Verständnis von nationaler Sicherheit. Für sie greift der Versuch einer umfassenden Kontrolle des eigenen Territoriums, wie sie etwa in den Homeland Security-Gesetzen des Bush-Administration zum Ausdruck kommen, viel zu kurz. Sie plädiert für eine stärkere Berücksichtigung weicher Aspekte wie der sozialen Kohäsion.
Wiederum ganz andere Probleme mit den neuen Ungewissheiten der politischen Geographie hat Russland. Anders als die USA grenzt Moskau direkt an die Krisenregionen dieser Welt und wird mit islamistischem Terror auch innerhalb der eigenen Grenzen konfrontiert. Auf der Suche nach willigen Kooperationspartnern stoße Russland jedoch bei Europa und immer öfter auch bei den USA auf verschlossene Türen, kritisiert Anatoly Adamishin vom Europa-Institut der russischen Akademie der Wissenschaften.
Als Konsequenz wende sich das Riesenreich immer mehr nach Osten, "immerhin ist es leichter mit China als mit Europa zu kooperieren". Das einzige, was den Westen an Russland noch interessiere, sei Gas und Öl. Ganz hat Adamishin die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben. Immerhin beschleicht die Russen angesichts des rasanten Aufstiegs Indiens und Chinas ein mulmiges Gefühl: Die Situation erinnere ihn an den Machtanspruch zweier neuer Großmächte - Japan und Deutschland - unmittelbar vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges.