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"Die Trümmer der zweiten Säule"

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Betriebsrentner kämpfen mit vielen Detailproblemen. | Kritiker wollen Steuerbegünstigung und Staatshilfe. | Die Finanzkrise trifft zigtausende Pensionisten völlig ungeschützt. Zusatzpensionen werden von den Pensionskassen massiv gekürzt, Schwankungsrückstellungen aus besseren Zeiten gibt es kaum, Staatshilfe bisher überhaupt nicht. Das Pensionskassengesetz erweist sich in weiten Bereichen als Murks. Reformvorschläge existieren sonder Zahl, geschehen ist bisher nichts - aber nun wird ein neuer Anlauf genommen.


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Viele Pensionisten sind schon zum wiederholten Mal von einer Welle an Pensionskürzungen betroffen. Allein diesmal machen die Einbußen zwischen 15 und 23 Prozent aus, berichtet der Schutzverband der Pensionskassenberechtigten, Pekabe, der rund 30.000 Betroffene repräsentiert. "Wir stehen vor den Trümmern der zweiten Säule des Pensionssystems," meint Pekabe-Sprecher Günter Braun.

Das System steckt voller Fallen:

* Da ist der so genannte Rechnungszins, ausgehandelt zwischen dem Arbeitgeber, der Pensionskapital bereitstellt, und der Pensionskasse. Dabei handelt es sich um eine Ertragsgrenze von - zum Beispiel - fünf Prozent. Werden diese fünf Prozent Ertrag verfehlt, folgt eine Pensionskürzung.

Positive Kapitalerträge der Pensionskasse sind also keine Garantie gegen eine Pensionskürzung. Umso schlimmer in der gegenwärtigen Finanzkrise. Da wird zu den Negativerträgen, also den Vermögenseinbußen in Prozenten, noch der Rechnungszins auf der Minusseite dazugerechnet.

Heikle "Altverträge"

Zwar hat die Finanzmarktaufsicht 2004 eine Obergrenze von 3,5 Prozent eingezogen, aber davon haben jene Pensionisten und Anwärter nichts, deren Firma einen alten Vertrag mit einem höheren Rechnungszins abgeschlossen hat. Besonders diese Altverträge bringen das Pensionskassensystem in Verruf, aber heute gelten auch die 3,5 Prozent bereits als sehr hoch. Und so sind nicht nur die 50.000 Bezieher von Zusatzpensionen Gefangene des Systems, sondern auch die 500.000 Anwärter, die noch in Arbeit stehen.

* Gültig für die Festsetzung der Pensionshöhe 2009 ist der Ertrag des gesamten Kalenderjahres 2008. Bei einigen großen heimischen Unternehmen sichert der Arbeitgeber während der Ansparphase das Kapital gegen Verluste ab. Wer nun zum Beispiel im November 2008 erstmals seine Pension bezieht, ist für die ersten zehn Monate des Jahres also vor Verlusten geschützt. Dennoch wird ab Jänner 2009 die Pension gemäß der Gesamtjahresperformance 2008 gekürzt. Eine monatliche Aliquotierung gibt es nicht.

* Die Pensionskassen brauchen nicht einmal mehr eine verpflichtende Mindestertragsgarantie zu beachten. Diese wurde 2003 abgeschafft.

* Schwankungsrückstellungen sind bei den meisten Pensionskassen nicht da oder zu gering, jetzt, wo sie dringend gebraucht würden. Die guten Börsenjahre 2003 bis 2007 wurden nicht genützt. Seit dem letzten Börsenabsturz 2002 sei noch zu wenig Zeit für einen Aufbau solcher Rückstellungen vergangen, rechtfertigt sich Christian Böhm, Fachverbandsobmann in der Wirtschaftskammer.

* Aus dem System aussteigen oder die Pensionskasse wechseln: Fehlanzeige, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dies, obwohl die Menschen ihr Risiko nicht steuern können. Das Risiko wird im Vertrag vom Arbeitgeber und der Pensionskasse bestimmt, zu tragen ist es von den Pensionisten. Dass der Arbeitgeber in Form von Nachschussverpflichtungen das Risiko auch für die Auszahlungsphase übernimmt, ist selten.

Garantie gefordert

Um eine Reform des Pensionskassensystems bemühen sich vor allem die Arbeiterkammer und der Seniorenrat. Die Arbeiterkammer will die Mindestertragsgarantie wieder einführen. Die Kosten dafür sollen die Pensionskassen ebenso tragen wie die Unternehmen, die mit Pensionskassen Verträge haben, und der Staat, fordert AK-Experte Otto Farny. Ein möglicher Wechsel der Pensionskasse soll für Konkurrenz unter den Pensionskassen sorgen. Darüber hinaus wird mehr Transparenz bei der Anlagestrategie eingemahnt. Ein neues Besteuerungssystem soll die Nettobezüge entlasten.

Auch der Seniorenrat stützt sich unter anderem auf ein neues Besteuerungssystem, fordert darüber hinaus aber auch einen staatlichen Ausgleichsfonds, um das gesamte System zu stabilisieren. Der Schutzverband der Pensionskassenberechtigten will einen staatlichen 800-Millionen-Euro-Kredit, um die Verluste 2008 auszugleichen sowie eine günstigere Besteuerung.

Der Fachverband der Pensionskassen schlägt neben einer Besteuerungsreform eine Pensionskassenvariante mit sehr geringem Risiko vor, zu der die Pensionsbezieher oder Anwärter wechseln können. Wer diesen Wechsel bezahlen soll, bleibt vorerst offen. Fachverbandsvorsteher Christian Böhm zum Ausgleichsfonds: "Wir haben nichts gegen Geld vom Staat, können aber - im Gegensatz zu den Banken - keine Gegenleistung offerieren."