Warum kann sich Europa nicht endlich auf eine wirklich effiziente Kontrolle seiner Außengrenzen einigen?
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Es war eine jener Presseaussendungen, wie sie die in ihrer Heimat ja nicht immer besonders bekannten Abgeordneten des EU-Parlaments jahrein, jahraus verschicken, stets in der Hoffnung, wenigstens für einen Augenblick angemessen wahrgenommen zu werden. Derart aufgezeigt hat Anfang dieser Woche der ÖVP-Sicherheitssprecher im EU-Parlament, Heinz K. Becker. Über den Pressedienst seiner Partei forderte er aus Brüssel "eine umfassende Registrierung aller Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen". Denn: "Wir müssen lückenlos wissen, wer wann wo nach Europa einreist, egal ob es sich um Drittstaatenangehörige oder EU-Bürger handelt." Der Abgeordnete kritisierte weiter, "dass es noch keine Mehrheit dafür gibt, nicht nur Grenzübertritte von Drittstaatenangehörigen, sondern auch von EU-Bürgern zu erfassen".
An dieser an sich völlig routinierten und alltäglichen Aussendung ist für den interessierten Laien zweierlei ebenso bemerkenswert wie beunruhigend: Erstens, dass in einer Zeit, in der nahezu monatlich ein blutiger Terroranschlag eine europäische Großstadt trifft, wie etwa zuletzt in Berlin, noch immer kein Grenzschutzregime in Kraft ist, das die Daten Einreisender, egal ob EU-Bürger oder nicht, dauerhaft abspeichert und den Sicherheitsbehörden gegebenenfalls zugänglich macht. Zwar wird ab diesem Wochenende (Warum eigentlich erst so spät?) jeder Einreisende zumindest kurz überprüft - die Daten werden aber auch weiterhin nicht gespeichert.
Dass es für Inhaber von EU-Pässen möglich ist und bleibt, nach Schengenland einzureisen, ohne dass dieser Grenzübertritt bleibende Datenspuren hinterlässt, ist irgendwie gespenstisch. Nicht zuletzt angesichts des Umstandes, dass an den europäischen Terroranschlägen der vergangenen Monate ja auch Täter mit EU-Pässen beteiligt waren.
Als Staatsbürger, der blitzschnell eine saftige Strafe aufgebrummt bekommt, wenn er eine Steuerzahlung um ein paar Tage verspätet überweist, fragt man sich da schon: Wer hat da bitte warum wie lange gepennt? Wer hat da wen aus welchen kleinlichen Gründen wie lange blockiert?
Genauso beunruhigend ist freilich, dass sich nicht wenigstens jetzt, ungefähr eine Viertelstunde nach zwölf, Europas Gesetzgeber ohne Ansehen von Ideologie oder Herkunft ganz superblitzschnell auf ein "Wir schaffen das!" geeinigt und so ungefähr ab gestern ein bisher vage geplantes "Europäisches Einreise-Ausreise-System für den Schengenraum" in Kraft gesetzt haben, das technisch auf dem neuesten Stand der Dinge ist.
Es geht hier gar nicht darum, jemandem für diese Verschnarchtheit in einer der Bevölkerung durchaus wichtigen Causa die Schuld zuzuweisen. Es geht eher darum, dass sich Europas Staaten und politische Lager ganz offenkundig in einer Frage, die der Bevölkerung unter den Nägeln brennt wie kaum eine andere, nämlich der Sicherheit, so verdammt schwertun, ausreichend schnell und ausreichend entschlossen zu handeln.
Angesichts der um Zehnerpotenzen schwierigeren und existenzielleren Sicherheitsfragen, die eher flott entschieden werden müssen - etwa, wenn die USA Europa tatsächlich nicht mehr so bedingungslos wie bisher verteidigen wollen -, ist das kein wirklich gutes Zeichen.