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Arbeit ist das halbe Leben. Mehr Frei- und weniger Arbeitszeit. Im Idealfall ergänzen sich die beiden Hälften zu einem lebenswerten Ganzen. Wunsch und Realität sehen aber meist anders aus. Die Lebens- und Arbeitswelt harmonisch in Einklang zu bringen, zählt zu den großen Herausforderungen der Gegenwart. Manchen gelingt das.
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Karin Brandner ist PR-Assistentin in der mobilkom austria. Sie arbeitet 35 Stunden in der Woche, hat jeden Freitag frei. Das war ihre Entscheidung. "Ich brauche die Zeit für meine Diplomarbeit", sagt die PR-Expertin zufrieden. Iris Appianno-Kugler arbeitet 15 Stunden pro Woche im AMS Wien. Die vermehrte Freizeit genießt die Juristin mit ihren Kindern.
Brandner und Appianno-Kugler haben unbefristete Arbeitsverträge, können ihre Arbeitszeit selbst einteilen und trotzdem an beruflichen Aus- und Weiterbildungsangeboten teilnehmen. Wollen sie in Zukunft wieder mehr arbeiten, ist auch das möglich. Zwei seltene Beispiele für qualifizierte Teilzeitkräfte in Österreich. Denn in den meisten Branchen sieht die Situation nicht so rosig aus, wie eine Studie der L&R Sozialforschung über die Qualität von Teilzeitbeschäftigung im Auftrag des Bundesministeriums für Frauen zeigt. Teilzeitkräfte haben meist unregelmäßige, zersplitterte Arbeitszeiten, geringere Aufstiegschancen und weniger Weiterbildungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens als ihre Vollzeitkollegen. Mehrarbeit ist selten möglich.
"Speziell im Handel sind in den letzten Jahren viele Vollzeitstellen in Teilzeitstellen umgewandelt worden", sagt Claudia Sorger von L&R. "Der Arbeitsdruck und die Belastung steigen, weil bei Arbeitszeitkürzungen das Arbeitsvolumen oft gar nicht abnimmt", ergänzt ihre Kollegin Nadja Bergmann im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Teilzeitbeschäftigte können nur selten die Arbeitszeit nach ihren Wünschen gestalten. Mehr als die Hälfte will vormittags oder nur an Wochentagen arbeiten. Die Realität sieht anders aus. "Die Unternehmen brauchen viele Mitarbeiter nur zu den Spitzenzeiten", bestätigt Arbeitsmarktexperte Kai Biehl von der Arbeiterkammer Wien. Teilzeitkräfte sind eben flexibel einsetzbar und helfen Kosten sparen.
Weniger Vollzeitarbeitsplätze
586.000 Menschen sind in Österreich teilzeitbeschäftigt. Die Tendenz ist seit Jahren steigend, wie auch das Ergebnis einer Wifo-Studie im Auftrag der Arbeiterkammer zeigt. Die Zahl der Vollzeitarbeitskräfte ist seit dem Jahr 2000 um 61.000 gesunken, jene der Teilzeitjobs im gleichen Zeitraum um 65.000 gestiegen. Werden die geringfügig Beschäftigten dazu gezählt, sogar um 86.000. Die wenigsten sind freiwillig Teilzeitkräfte. Schulabgänger beispielsweise streben nahezu zur Gänze Vollzeitarbeitsplätze an. Die Zunahme der Teilzeit beseitigt laut Biehl den Widerspruch zwischen zunehmender Beschäftigung bei gleichzeitig stagnierendem Arbeitsvolumen. "Der Rückgang der Vollzeitarbeitsplätze ist teilweise durch den Beschäftigungsrückgang im Produktionssektor bedingt", sagt Wifo-Expertin Hedwig Lutz. "Männer sind stärker auf Vollzeitarbeitsplätze konzentriert als Frauen und häufiger im produzierenden Bereich". Der Dienstleistungssektor hingegen ist Teilzeit- und Frauendomäne.
Teilzeit ist oberflächlich betrachtet familienfreundlich und in der Alpenrepublik fast nur auf Frauen beschränkt. Die schlechte Einkommenssituation in den klassischen Frauenberufen, geringe Pensionen und die ungleiche Verteilung von Führungspositionen verstärken den Wunsch vieler Frauen nach Vollbeschäftigung oder qualifizierter Teilzeit. Ein Wunsch, der wiederum aufgrund fehlender Kinderbetreuungsplätze und zu wenig attraktiver Angeboten nicht erfüllt wird. Seit Jahren kreist die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie um dieselben Problemfelder. Die Lösung wäre, laut der L&R-Expertinnen, Rahmenbedingungen für qualifizierte Teilzeit (siehe neben stehenden Kasten) zu schaffen. Davon profitieren Frauen wie Männer und nicht zuletzt die Unternehmen. Durch kürzere Arbeitszeiten können Arbeitnehmer Weiterbildung, Familie oder sonstige Interessen mit dem Job besser vereinbaren. Für Unternehmer sind die Arbeitskräfte flexibel einsetzbar. "Teilzeitbeschäftigung kann für Unternehmen durchaus billiger sein", sagt Sorger. Außerdem steigt die Produktivität durch zufriedene Mitarbeiter wie die Fälle Brandner und Appianno-Kugler zeigen. Die Gleichung ist einfach: Geht es den Menschen gut, geht es dem Unternehmen gut.
Nähere Informationen zur Studie "Qualifizierte Teilzeitbeschäftigung in Österreich" unter http://www.lrsocialresearch.at .