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Die Tücken der Trendforschung

Von Tamara Arthofer

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Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Hohe Siege, niedriger Spannungsfaktor: Ist das mit der wachsenden Kluft zwischen der Elite und dem Rest zu erklären?


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Rekorde gibt’s eben nicht am Fließband, Torfestivals anscheinend schon. Denn was die anderen können, das können auch wir, mussten sich die am Mittwochabend in der Champions League engagierten Klubs gedacht haben. Zwar konnten sie mit den nur knapp verpassten Kegelabenden von Bayern München (7:1 gegen AS Roma), Schachtar Donezk (7:0 gegen Bate Borisow) und Chelsea (6:0 gegen Maribor), die am Dienstag für einen Rekordabend mit insgesamt 40 Treffern gesorgt haben, erwartungsgemäß nicht mithalten, gab es tags darauf vergleichsweise lächerliche 19 Tore in acht Partien; doch die hohen Siege von Atlético Madrid, ein 5:0 über Salzburg-Eliminator Malmö, Real Madrid, ein 3:0 beim englischen Traditionsklub Liverpool, und Borussia Dortmund, ein 4:0 beim türkischen Vizemeister Galatasaray, waren aller Ehren wert. Doch können diese hohen Siege tatsächlich als Beleg für einen Trend herhalten, den manche Kommentatoren aufgrund vermeintlich aufkeimender Langeweile für beängstigend, andere aufgrund der Flut an Torraumszenen für besonders spektakulär erachten? Nun ja, es stimmt: Die Gruppenphase mit ihrer Setzung für die Auslosung - in der künftig die Meister der Topligen noch mehr begünstigt werden sollen-, mit ihrem auf 32 Teams aufgebauschten Format und ihrer Vielzahl an Spielen dient mehr der Auffettung des Geldbörsels, jener der Uefa und der teilnehmenden Klubs, denn der sportlichen Spannung. Teams wie Maribor und Bate Borisow sind eben keine Gradmesser, wobei nicht einmal das uneingeschränkt gilt, seit die Weißrussen vor zwei Jahren den späteren Champions-League-Sieger Bayern geschlagen haben. Auch das 1:0 von Olympiakos am Mittwoch gegen Juventus passt da nicht wirklich ins Bild, ebenso wenig wie dasselbe Ergebnis, mit dem der mäßig bekannte bulgarische Vertreter Rasgrad den FC Basel bezwang. Natürlich werden solche Überraschungen weiterhin Seltenheitswert haben, viel öfter werden sich die Favoriten durchsetzen, vor allem dann in der K.o.-Runde. Und natürlich werden sie dort weiter verdienen, danach weiter ihre Kader aufbessern und im nächsten Jahr wieder gestärkt in die nationalen und internationalen Bewerbe gehen; dafür sorgt schon das Prämiensystem der Uefa. Sie wird den Teufel tun, um die Kluft zu verkleinern, im Gegenteil: Auch das an sich gut gemeinte Instrument des Financial Fairplay wirkt hier eher kontraproduktiv. Doch von ihr zu verlangen, das zu ändern, um den Kleinen mehr Chancen zu geben, ist lieb, aber naiv, dafür rollt nicht nur der Ball, sondern vor allem der Euro viel zu gut.

Und schließlich sind die großen Tordifferenzen, die es nun eben in gehäufter Form gegeben hat, nicht nur mit dem Geld zu erklären, sie haben auch mit der jeweiligen Taktik, mit dem Spielverlauf und anderen Faktoren zu tun. Kaum jemand mauert mehr so kompromisslos wie früher, und gegen eine Mannschaft, die das schnelle Umschaltspiel beherrscht, kreativ nach vorne spielt und/oder über Ausnahmekönner verfügt, wird eben jeder Fehler bestraft, zu sehen auch bei der WM. Doch auch dort folgte dem Torrausch in der Vorrunde die Ernüchterung in der K.o.-Phase. Insofern waren die nunmehrigen Ergebnisse zwar bemerkenswert, auf eine allgemeine Entwicklung lassen sie aber nicht schließen. Die Trendforschung hat eben auch so ihre Tücken.