Auch wenn die Zeit drängt, in den drei Wochen vor den Massentests am 19. und 20. Dezember gilt es noch viele rechtliche und organisatorische Fragen zu klären.
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Noch ist vieles im Fluss, was die Massentests im Dezember anbelangt. In der Bund-Länder-Video-Konferenz am Montagabend wurde jedenfalls mit dem 19. und 20. Dezember das Wochenende, an dem die Bevölkerung freiwillig mit Antigenschnelltest auf eine Sars-CoV-2-Infektion getestet wird, festgelegt.
Auch die Vorbereitung für den Test vor den eigentlichen Massentests, jene am 5. und 6. für Schul- und Kindergartenpersonal, sowie am 8., 9. und 10. für die Polizei laufen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) verspürt "unter den Landeshauptleuten den Willen, dieses Projekt gemeinsam mit dem Bund umzusetzen". Sein Parteikollege, der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, bezeichnete allerdings eine "klare Projektstruktur als entscheidend".
Die gibt es laut SPÖ-Landespolitik aber offenbar noch nicht. Denn der burgenländische Gesundheitslandesrat Leonhard Schneemann sprach von vielen offenen Fragen und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser bemängelte, dass die Regierung bislang nur bedingte Antworten gegeben habe.
Bevölkerungsscreening oder Positive rausfischen?
Mit dem Durchtesten der gesamten oder breiten Teilen der Bevölkerung kann man zwei Ziele verfolgen: Die Verbreitung des Virus nachhaltig einzudämmen, dazu bräuchte es allerdings ein regelmäßiges Durchtesten, nicht aber nur eine einmalige Momentaufnahme im Dezember. Es geht also darum, einmalig Virusketten zu durchbrechen, indem man Sars-CoV-2-Positive herausfischt.
Wie gut das gelingt, hängt von der Bereitschaft, sich testen zu lassen, ab. In Südtirol, wo die Tests nach dem Wochenende bei Apotheken und Hausärzten weiterlaufen, sind es mittlerweise 66 Prozent der Bevölkerung. Am Dienstag, 10 Uhr, vermeldete der Südtiroler Sanitätsbetrieb genau 352.176 Getestete; 3.380 davon positiv, also 0,96 Prozent. Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher rechnete schon bei 3.000 herausgefischten Positiven und einer Reproduktionszahl von 1,5 vor, dass man ohne die Massentests "in einer Woche theoretisch auf mehr als 95.000 Ansteckungen hätte kommen können".
Laut einer repräsentativen Umfrage von Demoxresearch waren im Zeitraum vom 17. bis 19. November noch 61 Prozent der 1.000 Befragten bereit, an Massentests teilnehmen zu wollen. Da im Fall der positiven Fälle am 19. und 20. aber eine Absonderung statt dem Weihnachtsfest droht, stritt Generalmajor Rudolf Striedinger, der die Testung hierzulande mitorganisiert, nicht ab, dass die Mitwirkung der Bevölkerung leiden könnte. Die Frage sei berechtigt, aber eine frühere Massentestung sei logistisch nicht möglich.
Was bringt ein Testen am 19. und 20. Dezember?
Ob das Wochenende vor Weihnachten der richtige Zeitpunkt ist, lässt sich für Virologin Monika Redlberger-Fritz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" nicht so einfach beantworten. Einerseits sagt sie: "Die Tests haben den Vorteil, dass sie Positive entdecken, die das Virus zu Weihnachten weiterverbreiten würden." Andererseits betont sie, dass die Viruslast bei der ein Antigenschnelltest am besten wirkt, zwar bei den meisten nach fünf Tagen hoch ist. Der Spielraum liegt aber zwischen zwei und 14 Tagen. "Das ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich." Und: "Es kann auch sein, dass die Viruslast am Vormittag noch niedrig, am Nachmittag sehr hoch ist."
Die Regierung hat für den Start der Massentests bereits vier Millionen Antigenschnelltests bei Roche und drei Millionen bei Siemens bestellt. "Die Sensitivität und Spezifität liegt bei beiden Tests im oberen Bereich", sagt Redlberger-Fritz. Sensitivität beschreibt den Anteil mit einer Infektion, der durch den Test richtig erkannt werden muss. Bei der Spezifität geht es darum, jene ohne Virus zu entdecken.
Während ein falsch-positiver Test "nur" eine unnötige Quarantäne zur Folge hat, kann jemand mit falsch-negativem Test weiterhin anstecken. Man solle sich nicht in einem falschen Sicherheitsgefühl wiegen: "Ein negatives Ergebnis ist kein Freibrief, ohne Maske und Abstand feiern zu gehen", so Redlberger-Fritz.
Macht Testen ohne Contact Tracing Sinn?
Klar ist auch, dass bei den Massentest der Bevölkerung weitgehend auf Contact Tracing verzichtet wird, wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober von den Grünen bestätigt. Das Einsparen des Contact Tracing würde den Behörden mehr Ressourcen geben, Absonderungsbescheide zu erstellen. Bei den Screenings unter Pädagoginnen und Pädagogen sind sie aber geplant, erklärte der Gesundheitsminister. Auch der Salzburger Landeshauptmannstellvertreter Christian Stöckl (ÖVP), Vorsitzender der Gesundheitslandesräte, begrüßte das im Ö1-"Morgenjournal: "Wir werden ein Contact Tracing so weit wie möglich durchführen. Aber dass es keine Verpflichtung gibt, entlastet uns beim Personal."
Zwar stellt sich auch TU-Wien-Simulationsforscher Niki Popper die Frage nach den Ressourcen bei Massentests. Klar ist aber, dass Contact Tracing bei anderen Tests wieder rasch und digital funktionieren sollte. Denn dieses kann die Verbreitung des Virus eindämmen. Wären Kontaktpersonen im September und Oktober innerhalb von drei Tagen informiert worden, wären die Fallzahlen um 30 Prozent weniger stark angestiegen.
Wie freiwillig werden die Tests sein?
Sowohl Regierungs- als auch Landesvertreter betonen, dass die Teilnahme an den Tests freiwillig ist. Landesrat Stöckl redete allerdings von "einer gewissen, erzwungenen Freiwilligkeit bei Pädagogen an Schulen und im Kindergarten. Eine Verpflichtung sollte doch da sein. Zumindest die Verpflichtung, die man sich selbst auferlegt." Auch Landeshauptmann Peter Kaiser hat in der Video-Konferenz "herausgehört, dass Pädagogen, die den Test nicht wollen, vielleicht FFP2-Schutzmasken tragen müssen".
Lehrer, Beamte, Krankenschwestern und Ärzte können laut Verfassungsjurist Heinz Mayer derzeit zwar nicht unmittelbar dazu gezwungen werden, an Massentests teilzunehmen. Mit einem Gesetz könne man das aber für die genannten Berufsgruppen schon festlegen: "Da sehe ich keine verfassungsrechtlichen Probleme." Eine Verweigerung des Tests sei zwar kein Grund für eine Versetzung. Aber auch ohne Gesetz hätten Schuldirektoren Möglichkeiten, Druck auszuüben, etwa bei der Vergabe von Überstunden oder der Zuteilung der Fächer. Da habe man keinen Anspruch darauf, weshalb Direktoren "da schon gestalten" könnten.
"Die gesamte Bevölkerung zu zwingen, sich testen zu lassen, wird nicht so leicht möglich sein." Aber auch hier hält es Mayr für denkbar, dass man bestimmte Bereiche nur mit negativem Testergebnis betreten dürfe. Auch dafür bräuchte es eine einfachgesetzliche Änderung.
(De)zentrale Organisation oder beides nach Region?
Das Bundesheer ist in die Logistik und Organisation der geplanten Massentests führend eingebunden. Man werde die in der Slowakei und in Südtirol gewonnenen Erkenntnisse nutzen. In der Slowakei waren auch 30 Sanitäter des österreichischen Heers im Einsatz. Daraus hätten sich "wertvolle Erfahrungen ergeben", sagt Generalmajor Striedinger. Eine negative aus der Slowakei: Dort sei es zu Menschenansammlungen vor den Teststationen gekommen und auch danach beim Warten auf das Ergebnis. Das will das Heer vermeiden.
Südtirol hat auf digitale Anmeldungen und ein digitales Abrufen der Ergebnisse gesetzt, um Wartezeiten vor Ort zu vermeiden, die "Wiener Zeitung" berichtete. Darauf will auch das Bundesheer setzen. Bei den ersten Screenings der Pädagoginnen und Pädagogen erwarte man sich keine Probleme. Bei jenen der breiten Bevölkerung überlege man aber, wie jene zu einem Test kämen, die keinen Zugang zum Internet hätten. In Südtirol wurde das Problem über Vertrauenspersonen gelöst, die ihre Mailadresse und Mobilnummer für die Übermittlung für Getestete ohne Zugang zum Netz angaben.
Formal wird das Bundesheer von den Gesundheitsbehörden zu einem Assistenzeinsatz angefordert, mit Ländern und Kommunen wird über geeignete Orte für diese Tests gesprochen. Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl erklärte, dass "wir so gut wie möglich räumliche Ressourcen zur Durchführung der Massentests zur Verfügung stellen". Organisationen wie die Feuerwehr und die Rettung werden ebenfalls in die Umsetzung eingebunden, Letztere sollen Sanitäter zur Verfügung stellen.
Wie viele Heeresbedienstete und Soldaten im Einsatz sein werden, war am Dienstag laut Verteidigungsministerium noch ungeklärt. Klar ist aber: Das Verteidigungsministerium wird die Kosten von 50 Millionen Euro für die sieben Millionen Tests, die es über die Bundesbeschaffungsagentur bestellt hat, vom Finanzministerium refundiert erhalten.