Die "Belzer Sisters" im Gespräch über das Leben in Wien und jiddische Songs.
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Wien. Mit ihrer Interpretation jiddischer Lieder wurden Emilia Blufstein und Dora Napadensky bekannt. "Ich glaube, die Leute spüren, dass unsere Seele spricht", vermutet Blufstein. Seit rund zehn Jahren treten die beiden Schwestern als "Belzer Sisters" auf. Diesen Namen hat ihnen Roman Grinberg, der Motor hinter der jiddischen Kulturszene in Wien, verpasst. "Er hat uns eingeladen, bei einem Konzert im Akzent Theater als Gäste aufzutreten - und uns dann überraschend als Belzer Sisters vorgestellt", erinnert sich Napadensky.
Nun folgt eine weitere Premiere: Bei ihrem Auftritt im Rahmen des Festivals Klezmore, das diesen Samstag beginnt, werden sie neben älteren jiddischen Songs, für die sie bereits bekannt sind, auch selbst komponierte Lieder singen. Das Konzert wird für die erste CD der Belzer Sisters mitgeschnitten, die im Frühjahr nächsten Jahres erscheinen soll.
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Neues Leben in Wien
Der Name "Belzer Sisters" erinnert an den Geburtsort der beiden. Blufstein und Napadensky kamen 1980 mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester von Belz in Moldawien, damals Teil der Sowjetunion, nach Wien. Napadensky, ausgebildete Cellistin, war zu dem Zeitpunkt bereits verheiratet, hatte einen achtjährigen Sohn und eine vierjährige Tochter. Die Musikerin hatte der Kinder wegen zuvor ihren Posten in einem Theaterorchester aufgegeben. Das Leben wurde damals mühsamer, erinnert sie sich: "Wir haben gespürt: Unsere Kinder haben hier keine Zukunft."
Wien war eine der Optionen für das neue Leben. Hier hatte bereits ein Onkel seine Zelte aufgeschlagen. Israel wäre auch eine Alternative gewesen, ebenso die USA oder Australien. Doch sie entschieden sich für Europa. "Hier waren die Tore offen", erzählt Blufstein. Während sich ihre Kinder hier ein Leben aufgebaut haben, haben die beiden Sängerinnen ihre eigene Karriere hintangestellt.
Blufstein hatte in Moldawien Klavier studiert, kam mit 20 Jahren nach Österreich und hat am Konservatorium ihr Klavierspiel perfektioniert. Geheiratet hat sie erst in Wien - zufällig einen Belzer, der vor vier Jahren verstorben ist. Nun kümmert sie sich allein um die drei Söhne, einer geht noch in die Schule. Über den Krebstod ihres Mannes hinweggeholfen hat ihr auch der Wiener Jüdische Chor, in dem sie und ihre Schwester singen. "Es ist wie eine zweite Familie - alle haben sich um mich gekümmert." Was die beiden an dem Chor neben dem gemeinsamen Singen so schätzen: "Da sind Christen, da sind Juden - und alle verstehen sich. Es wäre schön, wenn das auf der ganzen Welt so wäre", sagt Blufstein.
Die beiden Kinder Napadenskys sind inzwischen verheiratet und haben selbst wieder je ein Kind. Die Tochter arbeitet in einer Bank, der Sohn ist Kommunikationstechniker. Napadensky hat unterdessen viele Jahre mit ihrem Mann Michail ein Greißlergeschäft geführt, seit ihrer Pensionierung betreuen sie das Schulbuffet eines Wiener Gymnasiums. Blufstein arbeitet in der Feinkostabteilung eines Supermarkts.
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Jiddisch ist identitätsbildend
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Ihre Kinder sind hier zur Schule gegangen - nicht in jüdische, sondern in "normale, österreichische Schulen". Wenn die Eltern etwas auf Russisch gefragt haben, haben die Kinder auf Deutsch geantwortet. Für Napadensky und Blufstein ist das nachvollziehbar. "Unsere Großeltern haben Jiddisch gesprochen. Wir haben sie verstanden - aber auf Russisch geantwortet."
Das Jiddische liegt ihnen jedoch bis heute am Herzen. Jiddisch wurde in der Familie gesungen und diese Tradition haben sie fortgeführt. Ein Großvater ist auch Kantor gewesen. Jiddisch ist das, was ihre jüdische Identität ausmacht. "Wir sind nicht gläubig. Wir sind ja in der Sowjetunion aufgewachsen", erklärt Bluf-stein. Nachsatz: "Im Herzen sind wir koscher." Den einzigen Feiertag, den sie halten, ist Jom Kippur, der Versöhnungstag. An diesem Tag fasten sie - auch wenn es manchmal vorkomme, dass sie arbeiten müssten.
Manchmal fragen sich die Schwestern, ob sie die richtigen Entscheidungen getroffen haben. War es richtig, nach Wien, nicht nach Israel zu gehen? War es richtig, die Kinder in eine nichtjüdische Schule zu schicken? War es richtig, darauf zu schauen, dass die Kinder gut Deutsch sprechen? Ihre Kinder geben ihnen jedenfalls das Gefühl, es richtig gemacht zu haben, betonen die beiden. Wien ist ihr Zuhause, sie sind hier gut integriert.
Im Rahmen des Klezmore Festivals lassen sie das Publikum zudem an ihrem Familienleben teilhaben: Jene Lieder, die Blufstein in den vergangenen Jahren komponiert und zu denen Michail Napadensky den Text geschrieben hat, sind alle anlässlich von Familienfesten entstanden. Dass Roman Grinberg sie am Klavier begleiten wird, freut die Schwestern. Ihn kennen sie noch aus Belz, "er fühlt uns", sagt Napadensky.