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Nein, er werde es nicht mehr tun. Deniz Baykal, der abgetretene Vorsitzende der türkischen Oppositionspartei CHP, kündigte an, nicht mehr an die Spitze der Fraktion zurückzukehren. Mehrmals schon hatte er den Vorsitz zurückgelegt, aber die Ruhepausen währten nur kurz. Fast 20 Jahre lang führte er die Partei.
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Doch damit soll es nun zu Ende sein - und das liegt wohl nicht nur an dem vor kurzem aufgetauchten kompromittierenden Videofilmchen, das Baykal und seine Ex-Sekretärin und jetzige Parlamentsabgeordnete zeigt. Die CHP muss aus dem Popularitätstief kommen, in das sie gerutscht ist. Unter Baykal sank bei Wahlen der Stimmenanteil für die einstige Staatspartei der Türkei auf rund 20 Prozent.
Immerhin fast doppelt so viele Stimmen erhielt Vizeparteivorsitzender Kemal Kilicdaroglu in Istanbul bei den Kommunalwahlen im Vorjahr. Und er soll nun Baykal beerben. Beim Kongress der Fraktion am Wochenende stellt er sich der Wahl.
Wandel zum Nein-Sager
Er wolle die CHP demokratischer machen, erklärte Kilicdaroglu, der die Unterstützung der Parteigranden genießt. Baykal schmollte aber nicht, weil ihm so indirekt diktatorischer Führungsstil beschieden worden war. Sondern weil niemand die Nominierung Kilicdaroglus mit ihm konsultiert habe.
Ob der als pragmatisch eingeschätzte Kilicdaroglu die Fraktion zu neuer Stärke führen kann, wird sich weisen. Viel Arbeit hätte er allemal damit. Die Partei bezeichnet sich als sozialdemokratisch und sieht sich als Hüterin der von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk propagierten Werte wie der Trennung von Religion und Staat. Doch hat sie sich mit der Zeit zu einer konservativen und nationalistischen Gruppierung gewandelt, die so gut wie jeden Reformversuch in der Türkei verhindern möchte.
Und sie kämpft verbissen gegen die islamisch geprägte Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Zu deren Vorhaben - die nicht zuletzt die Europäische Union einfordert - sagt die CHP aus Prinzip nein. Egal, ob es sich um die Regierungsinitiative zur Stärkung der Minderheitenrechte von Kurden handelt oder die geplante Änderung der türkischen Verfassung.
Der wahrscheinliche neue Oppositionsführer Kilicdaroglu müsste nun den schwierigen Spagat schaffen, die CHP aus ihrer Starre zu befreien, ohne viele Parteimitglieder von der Basis zu vertreiben. Hat er allerdings keinen Erfolg, wird die Türkei wohl auch weiterhin auf absehbare Zeit keine echte linke Kraft haben.