Innenpolitische Krisen, Konflikte mit Syrien, Fehlschläge demokratischer Missionen im Irak und in Afghanistan verdüstern die Zukunft in Nahost.
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Noch 2007 argumentierte die EU wie ein Pionier-General: Die EU brauche die Türkei als ideale "Brücke" zwischen Europa und Nahost. Die Türkei sei nämlich sowohl säkular (wie die EU) als auch muslimisch (wie die Araber) und deshalb ein ehrlicher Makler zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen.
Diese virtuelle Brücke entschwand aus Gründen, die in der gegenwärtigen türkischen Krise massiv aufbrachen: Die Regierung knüppelt friedlichen Protest nieder, knebelt die Meinungsfreiheit, gebärdet sich antisäkular und verprellt damit die EU. Zudem hat sie ernste Probleme mit dem muslimischen Bruder Bashar al-Assad in Syrien. Und weil die Türkei obendrein mit Großkraftwerken am Euphrat Syrien und dem Irak Wasser abgräbt, droht ein Dauerkonflikt mit diesen Nachbarn.
Weiter im Osten sind westliche Brückenprojekte gescheitert, weshalb sich die Brückenbauer zurückziehen. Den vom Tyrannen Saddam Hussein befreiten Irak schüttelt ein Terrorkrieg zwischen Schiiten und Sunniten. In Afghanistan übernahm die nationale Armee die Sicherung des angestrebten inneren Friedens und die "Verteidiger der Demokratie am Hindukusch" rücken ab - "freiwillig" mit dem Argument, dass Afghanistans Armee Ruhe und Ordnung sichern könne. Das tarnt die Niederlage nach zwölfjährigem Krieg mit den Taliban.
Mit diesen tuschelt das korrupte Regime des Präsidenten Karsai schon lange in der offensichtlichen Absicht, seine Macht zu sichern und die Taliban hinzuhalten. Ihnen gewährt aber Pakistan Rückzugsbasen und die Unterstützung des Geheimdienstes ISI. Die staunende Welt darf sich auf jahrelanges politisches Fintieren und Erpressen mit Terrorakten einstellen.
Freudige Überraschung bescherte dem Westen die Wahl im Iran. Der gemäßigte Hassan Rohani gewann die Präsidentschaft und kündigte Reformen an. Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei wird als unerschütterlicher Fundamentalist den Reformeifer so "dosieren", dass der Westen vielleicht die Sanktionen trotz der Arbeit am iranischen Atomprogramm lockert. Auch Rohani bekannte, dass er am Atomprogramm nichts ändern wolle. Und über die Waffenhilfe an Assad verlor er kein Wort.
Damit endet man wieder in Syrien. Der russische Präsident Wladimir Putin beharrt weiter auf Unterstützung Assads, bezeichnet die syrischen Rebellen als "Terroristen", warnt den Westen vor deren "Nachrüstung" und tut Hinweise auf Assads Einsatz von Giftgas als "fabriziert" ab. Gleichwohl unterzeichnete Putin auf dem G8-Gipfel einen Kompromiss: Die UNO soll die Giftgas-Affäre untersuchen und in Genf soll möglichst bald eine Syrien-Konferenz zusammentreten, um den Weg zu einer Übergangsregierung zu ebnen. Dieser Erfolg erweist sich jedoch als potemkinsche Fassade: Die UNO pflegt nämlich quälend langsam zu arbeiten, und Putin kann auf dem Weg zur Syrien-Konferenz beliebig bremsen. Er gewinnt also Zeit, um seinen Stützpunkt Syrien abzusichern.
Von der großen türkischen Brücke zwischen EU und Orient bleiben lediglich die beiden Brücken über den Bosporus.