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Von Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, direkt nach Benghazi, ins Rebellenzentrum Libyens. Zuvor ein Besuch in Nordzypern und eine heikle Mission in Damaskus - Ahmet Davutoglu ist viel unterwegs. Die Reisetätigkeit des türkischen Politikers geht aber über die üblichen Aktivitäten eines Außenministers hinaus. Ankara will sich als eine Regionalmacht positionieren, als ein Mitspieler auf der politischen Weltbühne, der sich vom Statisten zu einem Hauptdarsteller gewandelt hat.
Zu diesem Zweck wird seit Jahren an einer neuen Strategie gearbeitet, und einer ihrer wichtigsten Schmiede war und ist Davutoglu, der noch vor seiner Ernennung zum Außenminister zu den engsten Beratern von Premier Recep Tayyip Erdogan gehörte. Er formte die "Null Probleme mit den Nachbarn"-Politik, die Ankara gleich zweierlei Nutzen bringen sollte.
Zum einen brachte der Ansatz eine Verbesserung der Beziehungen zu einstigen Feinden wie Syrien, was sich auch in wirtschaftlichem Profit niederschlug: Die Türkei wurde zum wichtigsten Handelspartner ihres Nachbarn. Zum anderen konnte die Regierung in Ankara den USA und den Europäern signalisieren, dass sie als Vermittlerin in der Region eine relevante Rolle spielen und so eine Brücke zwischen Ost und West schlagen kann. Dieses Argument wirft das Land in den Debatten um einen möglichen türkischen EU-Beitritt auch immer wieder in die Waagschale.
Die Beachtung als Akteur von internationalem Rang scheint Ankara denn auch manchmal wichtiger zu sein als bilaterale Beziehungen. Auch wenn die Türkei zunächst auf Vermittlung in Syrien setzte, übt sie nun harsche Kritik am Vorgehen des Regimes von Präsident Bashar al-Assad. Und fordert mittlerweile ebenfalls einen Wandel in Libyen, nachdem sie erst zögerlich einem Nato-Einsatz zugestimmt hatte. Denn auch dort hat sie wirtschaftliche Interessen: In dem nordafrikanischen Land unterhielten türkische Unternehmen im Vorjahr Projekte im Wert von 15 Milliarden US-Dollar.
Gleichzeitig scheut sich die Türkei nicht, ihr gewachsenes außenpolitisches Gewicht mit gestärktem Selbstbewusstsein zu paaren. Israel droht sie offen mit einer neuen Krise, weil sich Jerusalem nicht für den israelischen Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte im Vorjahr entschuldigen möchte. Ministerpräsident Erdogan fordert die Israelis außerdem zu einer Einigung mit den Palästinensern auf - und erwägt einen ostentativen Besuch im Gaza-Streifen.
Ebenso legt sich Ankara mit Erbil an. Seit Tagen fliegen türkische Kampfflugzeuge Angriffe gegen Stellungen der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) im Nordirak. Der kurdischen Autonomieregion gefällt dies gar nicht. Doch auch wenn die Regierung in Ankara den Einfluss der Armee auf die Innenpolitik gestutzt hat - nach außen hin demonstriert sie neben ihren politischen Fähigkeiten auch militärische Stärke gern.