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Gernot Blümel präsentierte sich und sein Team. Das scheint vorerst auch das ÖVP-Programm für Wien zu sein. Eine Analyse.
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Ständig werde er gefragt, warum er sich das antue. Diese Doppelbelastung. Finanzminister der Republik einerseits, Spitzenkandidat der ÖVP bei der Wien-Wahl andererseits. Die Antwort darauf lieferte Gernot Blümel am Mittwoch unaufgefordert: "Weil Wien es mir wert ist."
Seinen offiziellen Wahlkampfauftakt gestaltete Österreichs aktueller Finanzminister ebenfalls kurz, allerdings vergleichsweise wenig knackig. Ein paar Sätze zu Corona - "Unser gemeinsames Ziel ist es, das Virus zu bekämpfen", ein paar Sätze zu den diversen Hilfspaketen der Bundesregierung, gefolgt von einer namentlichen Aufzählung seiner 14 Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf der Landesliste. Fertig.
Die einzig relevante Frage, nämlich, ob sich Blümel nach dem 11. Oktober aus der Bundespolitik zurückzieht und als voraussichtlich Wiener Vizebürgermeister seine politische Laufbahn fortsetzt, beantwortet der Spitzenkandidat der Wiener Volkspartei ausweichend: "Zuerst wird gewählt, dann gezählt, dann verhandelt und dann entscheiden sich die anderen Themen." Als Wahlziel nannte Blümel, stärkere Zuwächse als alle anderen wahlwerbenden Parteien einfahren zu wollen.
Den Umfragen, die die Wiener ÖVP bei derzeit knapp 25 Prozent sehen, traue er nicht, erklärte Blümel. In den parteieigenen Erhebungen läge man derzeit "stabil zwischen 17 und 18 Prozent". Diese Stimmung müsse man aber erst in Stimmen umwandeln, gab Blümel zu bedenken. 2015 erhielt die ÖVP 9,24 Prozent und hält derzeit sieben von 100 Gemeinderats- und Landtagsmandaten.
Man weiß nicht so recht, was man von Blümels Performance auf der Donaumarina in Wien-Leopoldstadt halten soll. Der Auftritt des türkisen Spitzenkandidaten erinnerte an die Inszenierungen der ÖVP-Regierungsriege am Weg zur Angelobung durch den Bundespräsidenten. So wie Kurz über den Ballhausplatz, marschierte nunmehr Blümel hinter aufeinandergestapelten Sesseln und Tischen hervor und auf die Journalistinnen und Journalisten zu. Dahinter sein Team, fast im Gleichschritt. 14 Kandidatinnen und Kandidaten, die in weiterer Folge lediglich die dauerlächelnde Kulisse für Blümel boten. Zu Wort kamen sie nicht. Auch bei der Vorstellung des Teams blieb Blümel unpersönlich. Eine aus Liesing, eine aus Währing, einer aus Simmering, Klubobfrau Elisabeth Olischar, "die die ÖPV zur fleißigsten Oppositionspartei im Rathaus" gemacht hätte, eine, die sich für Unternehmen und Eigentum einsetzen will, viele Mütter und Väter.
Political Anmials und Liesinger
Unter ihnen auch der ehemalige Ö3-Moderator und ÖVP-Sprecher Peter L. Eppinger - "ein political animal" (Blümel), Listenfünfter und somit ab Herbst so gut wie fix im Wiener Gemeinderat vertreten. Ebenfalls fix sein dürften Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner, Markus Wölbitsch, Ingrid Korosec, Elisabeth Olischar und Manfred Juraczka. Die restlichen acht Listenplätze füllen, neben derzeit schon aktiven Gemeinderäten, vor allem Wirtschaftskammer-Funktionärinnen und Funktionäre, sowie Mitglieder der JVP.
Keinerlei Erwähnung fanden am Mittwoch Themen, Inhalte oder Grundsatzpositionen, für die sich das Wiener ÖVP-Team künftig stark machen will. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Kandidatenliste, allen voran Blümel, das Programm ist.
Den Wahlkampf wolle er kurz halten, erklärte der Finanzminister. Schließlich habe man derzeit andere Sorgen. Was bei Politikern wie Blümel bei derlei Ankündigungen immer ein wenig mitschwingt, ist Überheblichkeit. Um Stimmen rennen, Klinken putzen, sich in die Niederungen wahlkampftaktischer Auseinandersetzungen mit anderen Parteien begeben, eine eigene Meinung haben, bzw. Lösungsvorschläge zu kommunalpolitischen Problemfeldern präsentieren - all das scheint nicht die Welt des Gernot Blümel zu sein. Und das musste es bislang auch nicht, denn diesen Job erledigte bis zuletzt sein Parteikollege Innenminister Karl Nehammer.
Nehammer - der bessere Blümel?
Nehammer ließ in den vergangenen Wochen und Monaten keine Gelegenheit aus, um auf das seiner Meinung nach Totalversagen der rot-grünen Rathauskoalition in Wien hinzuweisen, sei es in puncto Corona, sei es in puncto Integration. Der Innenminister machte diesen Job so gut, dass er sich dieser Tage sogar die Frage gefallen lassen musste, ob denn nicht vielleicht er anstelle von Blümel als Spitzenkandidat der Wiener ÖVP antreten werde. Nehammer verneinte.
Von Gernot Blümel gibt es bisher keine offiziellen Statements zu Wien-spezifischen Themen. Lediglich auf seiner Website "Sag‘s dem Blümel" äußert er sich, vor Österreich- und Europafahne sitzend, in einem kurzen Videoclip vage zu den Ausschreitungen in Favoriten und zur "gescheiterten Integrationspolitik". Gernot Blümel sprach am Mittwoch von einem (und nicht seinem) "starken Team". Ob ihn dieses durch den Wahlkampf tragen oder ob sich der Finanzminister doch noch aktiv am Wiener Politgeschehen beteiligen wird, werden die nächsten Wochen zeigen.