Italien: Experten sollen Vorschläge zur Auflösung der Patt-Situation erarbeiten.
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Rom. Der Schachzug des italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, zehn ältere Männer, "Weise", zu ernennen, um die Bildung einer Regierung voranzubringen, hat ein Ziel: Die Parteien sollen im Angesicht konkreter Gesetzesvorschlägen für die Legislaturperiode keine Ausreden mehr haben und zur Zusammenarbeit gezwungen werden.
"Schlimmer geht’s nicht", urteilte die linksalternative Tageszeitung "Il Fatto quotidiano" und warf dem Staatspräsidenten vor, weder Frauen noch junge Menschen für die Kommission berücksichtigt zu haben. Dem Wunsch nach Wandel würde der Staatspräsident überhaupt nicht nachkommen und damit die Stimmung im Land verkennen. "Die Entscheidung Napolitanos überzeugt nicht", schrieb auch "Il Giornale", die Zeitung aus dem Besitz der Familie Berlusconi. Jetzt wirkt es so, als müsste sich Italien noch länger auf starre Verhältnisse gefasst machen. Auch die Reaktionen der Parteien auf die Kommission des Präsidenten waren skeptisch.
Die zehn Männer, darunter Persönlichkeiten, die entweder der Mitte-Links-Partei, dem Berlusconi-Lager oder der abgewählten Experten-Regierung von Mario Monti nahestehen, sollen in kurzer Zeit konkrete Vorschläge für institutionelle und wirtschaftliche Reformen unterbreiten, etwa die Reform des Wahlrechts und Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft.
5-Sterne-Bewegung ausgeschlossen
Die Kooperation mit der alternativen 5-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo, die, wie die Demokratische Partei PD und die Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit" (PdL), knapp ein Drittel der Stimmen erzielte, sucht die Kommission ganz offensichtlich nicht. Grillo hatte unabhängige und der Politik ferne Personen in verantwortlichen Positionen gefordert. Diese Forderung berücksichtigte Napolitano nicht. Die "Weisen" entsprechen der herkömmlichen politischen Nomenklatur Italiens, etwa in Person des ehemaligen Vorsitzenden der Antimafia-Kommission, dem Linksdemokraten Luciano Violante oder dem Senator der Berlusconi-Partei Gaetano Quagliariello. Oder sie sind in einflussreichen Institutionen aktiv, wie im Fall des Präsidenten des nationalen Statistikamts Enrico Giovannini oder Salvatore Rossi, Vize der Banca d’Italia.
Die Frage ist, ob die Kommission die persönlichen Differenzen der beiden größten Lager überwinden kann. PD-Chef Pier Luigi Bersani, der mit der Bildung einer Regierung in der vergangenen Woche gescheitert war, wehrt sich bisher gegen jede Art von Zusammenarbeit mit Silvio Berlusconi. Die Linke fürchtet, dass der Ex-Premier vor allem an einer persönlichen Garantie zur Straffreiheit interessiert ist. Berlusconi, der in mehreren Prozessen angeklagt ist, kann sich diese vermeintliche Starrheit der Linken zunutze machen. Er setzt öffentlich auf Kooperation an und spekuliert auf Neuwahlen. In einigen Umfragen liegt seine Partei inzwischen vorne.
Die Amtszeit von Staatspräsident Giorgio Napolitano (87) geht am 15. Mai zu Ende. In den letzten 40 Tagen vor Amtsende kann der Staatspräsident nicht mehr das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. Offenbar hatte Napolitano diese Option erwogen. Übereinstimmenden Berichten italienischer Medien zufolge hatte ihm der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, davon mit Blick auf die Reaktion der Finanzmärkte abgeraten.
Bis es zu einer Einigung kommt, ist formal die Regierung Montis im Amt, die Napolitano ein "Element konkreter Sicherheit" nennt. Vom neuen Parlament ist die Regierung allerdings nicht legitimiert. Monti hatte vergangene Woche erklärt , seine Regierung könne "es nicht erwarten, von seiner Aufgabe entbunden" zu werden.