Die UÇK, eine Untergrundorganisation, der wie einer Hydra immer neue Köpfe wachsen: Nach Beendigung des Kosovo-Krieges 1999 - wo sie als Verbündete der NATO gegen die Jugoslawische Volksarmee Slobodan Milosevics kämpfte - offiziell entwaffnet, tauchte die UÇK als UÇPMB (Befreiungsarmee Presevo, Medvedja und Bujanovac) wenige Monate später im südserbischen Presevo-Tal auf und machte durch Terroranschläge international von sich reden. Am 13. März startete die albanische "Nationale Befreiungsarmee" einige Kilometer weiter südwestlich, rund um die mazedonische Albaner-Metropole Tetovo, eine Großoffensive. Nach den jüngsten Erfolgen eines großangelegten Gegenschlags mazedonischer Regierungstruppen wird die Eröffnung immer neuer Fronten durch die UÇK befürchtet.
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Wie viele Männer genau unter der Fahne der UÇK kämpfen, vermag niemand so genau zu beantworten: Anfang Februar dieses Jahres wurde ihre Zahl von internationalen Medien mit etwa 100 Mann angegeben, Anfang März sollen es bereits um die 300 gewesen sein. Die UÇK selbst rühmt sich, 2.000 Widerstandskämpfer versammelt zu haben und dass noch einmal so viele Männer in Bereitschaft stünden. In Anbetracht der relativ problemlos verlaufenen jüngsten Offensive der mazedonischen Sicherheitskräfte gegen die Stellungen der Rebellen rund um Tetovo in Nordwestmazedonien dürfte doch die Zahl von 300 bis 500 Kämpfern am realistischsten sein.
Drahtzieher im Kosovo
Die Frage nach dem organisatorischen Zentrum der UÇK ist ebenfalls nicht leicht zu beantworten: Dass der Konflikt an den Berghängen von Tetovo vom Kosovo aus gesteuert wurde, davon sind allerdings immer mehr Balkan-Experten überzeugt. Viele gehen davon aus, dass sich die Drahtzieher der jüngsten Auseinandersetzungen unter den Mitgliedern der offiziell aufgelösten "Kosovo Befreiungsarmee" befinden. Was den Lebenslauf von Sadri Ahmati, Sprecher der mittlerweile vertriebenen UÇK-Rebellen um Tetovo anbelangt, könnte die Theorie etwas an sich haben. Ahmati stammt zwar nicht aus dem Kosovo, sondern aus der Region um Tetovo, hat aber im Kosovo-Krieg in der Einheit des jetzt als Politiker agierenden, früheren UÇK-Kommandanten Ramush Haradinaj gekämpft.
Aus einem Bericht des mazedonischen Geheimdienstes, der in der aktuellen Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazines "Der Spiegel" zitiert wird, geht allerdings hervor, dass sich Ende des Jahres 1999 UÇK-gesteuerte militärische Stäbe in Deutschland und der Schweiz gebildet hätten.
Verwirrspiel um den Boss
Rätselraten auch um die Identität des Oberkommandierenden der Rebellen: Oft wurde in diesem Zusammenhang der Name Sadri Ahmati genannt. Nach anderen Medienberichten soll vielmehr Ali Ahmeti, ein 32 Jahre alter Albaner aus dem mazedonischen Dorf Kiecevo die Befehlsgewalt inne haben. Ein gewisser "Kommandant Hoxha", der selbst anonym bleiben will, hat jüngst auf einen bisher Unbekannten als Befehlsgewaltigen verwiesen, der von der UÇK erst noch vorzustellen sei.
Wer auch immer das Kommando innehaben mag, ob eine Einzelperson, Gruppe, oder ob mehrere Kommandanten unabhängig handeln: Die Strategie, die die UÇK im Konflikt um Tetovo angewandt hat, lässt vermuten, dass die Verantwortlichen auf Erfahrungen aus früheren militärischen Aktionen zurückgreifen können. Denn die Rebellen gingen im südserbischen Presevo-Tal nach der gleichen Methode wie bei Tetovo vor: Sie besetzten zunächst ein Dorf, weiteten ihre Präsenz dann geduldig aus, schufen sich Befestigungen und zogen sich wieder zurück, wenn eine Offensive der Gegenseite losbricht.
Dass der mazedonische Konflikt aus dem Kosovo "importiert" wurde, legt auch die äußere Symbolik der albanischen Guerilla in Mazedonien nahe: Es finden sich hier die gleichen schwarzen Uniformen der ehemaligen albanisch-kosovarischen Militärpolizei wieder. Auch das Kürzel "UÇK" wurde unverändert übernommen.
Bewaffnet sind die Rebellen mit Kalaschnikows aus ehemaligen jugoslawischen Beständen, Mörsern und Panzerfäusten, sowie mit Kommunikationssystemen, die von der NATO stammen.
Laut internationalen Übereinkommen dürfte es diese Waffen alle längst nicht mehr geben, und schon gar nicht in den Händen der UÇK: Nach dem Ende der NATO - Bombardements auf serbische Militäreinrichtungen im Juni 1999 verpflichtete sich die kosovarische UÇK in einem Abkommen zwischen ihrem damaligen Anführer Hasim Thaci und NATO-General Michael Jackson, innerhalb einer Woche alle Waffen abzugeben und sich innerhalb von drei Monaten vollständig demilitarisieren zu lassen. Die Zone zum Kosovo wurde von nun an von Kfor-Soldaten kontrolliert.
Papier ist geduldig
Dass dieses Abkommen seitens der UÇK nicht eingehalten worden war, wurde spätestens fünf Monate später der Weltöffentlichkeit drastisch vor Augen geführt. Da begann nämlich die "Befreiungsarmee Presevo, Medvedja und Bujanovac" (UÇPMB) die von der Kfor eingerichtete Pufferzone in Südserbien auszunutzen, um von dort aus serbische Polizisten anzugreifen. Fazit bis heute: fast drei Dutzend Tote. Die Hochburgen dieses UÇK-Ablegers liegen zwischen den südserbischen Dörfern Presevo und Bujanovac. Der Kommandeur des UÇK-Sprosses soll ein gewisser Shefqet Musilu sein. Verbindung hielt die UÇBMP zu den nordwest-mazedonischen Rebellen über einen fünf mal fünf Kilometer großen Abschnitt der Pufferzone, der an Mazedonien grenzt. Am Montag, dem 12. März, war allerdings die schrittweise Rückkehr serbischer Sicherheitskräfte in die entmilitarisierte Zone beschlossen worden.
Viele Sympathisanten
Es sind mehrere Faktoren, die den Zulauf und die Sympathie, die die UÇK unter der mehrheitlich albanischstämmigen Bevölkerung in Nordwestmazedonien genießt, verständlich machen: Zunächst ist es den gemäßigteren Albanerparteien nicht gelungen, ihre Bevölkerung auf einen friedlichen Kurs einzuschwören. Es bestehen auf Seite der Albaner durchaus legitime Forderungen, die Benachteiligung ihrer Bevölkerungsminderheit gegenüber der slawischen Mehrheit aufzuheben. Dass es diese Benachteiligungen gibt, wird auch von EU-Politikern wie Javier Solana nicht bestritten.
Enttäuscht von den jahrelangen vergeblichen Versuchen, ihre Rechte auf friedlichem Weg durchzusetzen, wenden sich immer mehr Albaner der radikalen Linie der UÇK zu.
Was den Konflikt weiter anheizen könnte, ist die Tatsache, dass mit dem Fortschreiten der Offensive der mazedonischen Sicherheitskräfte die Zahl der Flüchtlinge aus dem Nordwesten Mazedoniens ansteigt. Bei den Flüchtenden, die sich zu Verwandten in den Kosovo durchschlagen, handelt es sich nämlich vorwiegend um Frauen und Kinder, wie die UNHCR bereits besorgt feststellte. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die albanischen Männer zumindest teilweise den Guerilleros angeschlossen haben.
Auf zu neuen Fronten
Dass die jüngste, scheinbar erfolgreiche Gegenoffensive der mazedonischen Sicherheitskräfte im Umland von Tetovo sowie an der Grenze zum Kosovo das Ende der Übergriffe der UÇK in Mazedonien bedeutet, glaubt niemand ernstlich. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass sich die Kämpfer in der schwarzen Montur, wie schon früher zu beobachten war, zunächst zurückziehen, um an einem anderen Ort wieder aufzutauchen. Da sie sich in der albanischen Bevölkerung frei bewegen können, über ausgezeichnete Ortskenntnisse verfügen, dürfte ihnen das nicht schwer fallen. Nicht unwahrscheinlich wäre auch, dass die UÇK in Analogie zur baskischen ETA oder der nordirischen IRA zum klassischen politischen Terrorismus übergeht und das Land durch Bombenanschläge, Entführungen und andere Terrorakte über lange Zeit hin destabilisiert.
Dieser Ansicht ist auch Matthias Rüb, der sich für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in einer von den mazedonischen Regierungstruppen zurückeroberten, ehemaligen UÇK-Stellung umgesehen hat. Sein Eindruck: Die Mazedonier haben die Stellung nicht, wie behauptet, in harten Kämpfen eingenommen und dabei auch nicht zahlreiche Gefangene gemacht. Vielmehr sprechen alle äußeren Anzeichen dafür, dass sich die Rebellen schon lange vor Eintreffen des ersten Panzers in die umliegenden Berge abgesetzt haben.
Rübs düstere Prognose: "Die UÇK ist aus den Hügeln über Tetovo verschwunden. Aber weg ist sie nicht."