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Die Ukraine stellt alles in den Schatten

Von WZ-Korrespondent Tobias Müller

Politik

G7 erhöhen am Rande des Nuklear-Gipfels den Druck: "Bis Russland seinen Kurs ändert" soll Moskau draußen bleiben, statt G8 in Sotschi gibt es einen G7-Gipfel in Brüssel.


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Den Haag. Am Rande des Gipfels für Nuklear-Sicherheit in Den Haag kamen am Montag Abend die G7- Regierungschefs zusammen. Das Treffen am Amtssitz des niederländischen Premierministers Mark Rutte geschah auf Initiative von US- Präsident Barack Obama und drehte sich um das weitere Vorgehen gegenüber Russland in der Ukraine- Krise.

Anwesend waren die Premierminister Stephen Harper (Kanada), David Cameron (Grossbritannien), Shinzo Abe (Japan), Matteo Renzi (Italien), der französische Präsident François Hollande sowie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Die EU war durch Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Ratspräsident Heman Van Rompuy vertreten.

Krim-Annexion "illegal"

Die Ergebnisse der zweistündigen Beratschlagung sind in der "The Hague Declaration" zusammengefasst. Darin bekräftigen die G7- Regierungschefs ihre "Unterstützung für die ukrainische Souveranität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit". Sowohl das Krim- Referendum als die Annexion der Halbinsel werden als "illegal" verurteilt. Als Reaktion kündigen die G7 Sanktionen an. Im Fall einer weitere Eskalation behält man sich vor, "die Sanktionen zu intensivieren", was "zunehmend schwerwiegende Auswirkungen auf die Russische Ökonomie" haben werde.

Die Regierung in Moskau wird aufgerufen, auf diplomatischem Weg zur Deeskalation der Krise beizutragen. Als ersten Schritt dazu begrüssen die G7 Moskaus Zustimmung zur OSZE- Mission. Von den Treffen der grössten Industrienationen bleibt Russland vorläufig ausgeschlossen - bis, so die Deklaration, die Regierung ihren Kurs ändere.

Der für Juni geplante G8- Gipfel in Sotschi werde nicht stattfinden, stattdessen wollen die G7- Staaten sich in Brüssel treffen. Auch ihre Aussen- und Energieminister wollen sich künftig ohne Russland beratschlagen.

Der Russische Aussenminister Sergej Lawrow, der in Vertretung von Präsident Putin am Gipfel für Nuklearsicherheit in Den Haag teilnimmt, kommentierte die Ausbootung Moskaus in einer Pressekonferenz lakonisch. Die G8 seien keine offizielle Vereinigung, daher könne auch kein Mitglied ausgeschlossen werden. "Doch wenn unsere westlichen Partner denken, dass es vorbei ist, dann ist das eben so."

Lawrow traf am Rande des Nukleargipfels auch mit seinem US- amerikanischen Amtskollegen John Kerry zusammen. Über den Inhalt ihrer Unterredung wurde jedoch nichts bekannt.

Gleiches gilt für Lawrows Zusammentreffen mit dem ukrainischen Aussenminister Andrej Deshchytsia, das gleichzeitig die erste russisch-ukrainische bilaterale Unterredung seit der Annexion der Krim war. Am Rande der Gespräche zur Nuklear-Sicherheit hatte Deshchytsia am Montag bei einer Presekonferenz gesagt, eine Zusammenkunft mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow sei wahrscheinlich. Dort werde man bilaterale Gespräche führen. Ungeachtet des aktuellen Truppenrückzugs würde die Ukraine die Krim "nie aufgeben". Über das G7- Treffen sagte er: "Wir haben große Erwartungen, aber wir müssen realistisch bleiben. Wir begrüßen neue Sanktionen einschließlisch ökonomischer, weil dies der einzige Weg ist, diesen Konflikt auf nicht-militärischem Weg zu lösen."

Schon bei der Eröffnungsveranstaltung des Nukleargipfels in Den Haag war klar, dass der Gastgeber nicht ganz die Wahrheit sprach: "Heute und morgen dreht sich alles um die Frage, wie wir nuklearen Terrorismus verhindern können", so der niederländische Premier Rutte in seiner Begrüssungsrede vor 52 anderen Staats- und Regierungschefs.

Selten dürfte ein so hochrangig besetztes Gipfeltreffen so im Schatten einer gänzlich anderen Angelegenheit gestanden haben. Die Weltöffentlichkeit nämlich blickte vor allem mit einer Fragestellung in die niederländische Konferenzstadt an der Nordsee: welche Antwort wird das G7- Treffen auf die sich verschärfende Krise in der Ukraine finden?

Wie sehr das Thema den Gipfel überschattet, wurde bereits am Morgen deutlich, als der amerikanische Präsident, auf dessen Initiative 2009 immerhin der Nukleargipfel zurückgeht, gemeinsam mit Mark Rutte das Rijksmuseum in Amsterdam besuchte. In freundschaftlicher Stimmung parlierten die beiden Staatschefs, doch die anschliessende Pressekonferenz stand wieder ganz im Zeichen der Krim- Krise.

Rutte erklärte, er habe mit Obama auch über dringende Angelegenheiten wie das iranische Atomprogramm, den syrischen Bürgerkrieg sowie die Lage in der Ukraine gesprochen. Beide Regierungschefs zeigten sich einig in der Verurteilung der Annexion der Krim durch Moskau. Obama betonte, Europa und Amerika seien "vereint in der Unterstützung für die ukrainische Regierung und Bevölkerung."

Sorge wegen Truppenaufmarsch

Anlass zur Besorgnis hatte im Vorfeld des Gipfeltreffens auch der europäische Nato-Oberbefehlshaber Philip Breedlove gegeben, der von einer hohen Konzentration russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine gesprochen hatte. Die Kontingente seien "sehr sehr gross und sehr sehr einsatzbereit". Breedlove äusserte die Befürchtung eines russischen Eingreifens in der moldawischen Enklave Transnistrien.