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Bereits durch die Verabschiedung von "NextGenerationEU" dürften alle Mitgliedsländer profitiert haben.
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Ende 2020 haben sich EU-Institutionen und Mitgliedsländer auf das durchaus historisch zu nennende Aufbaupaket "NextGenerationEU" im Umfang von 750 Milliarden Euro geeinigt, davon 360 Milliarden Euro zinsgünstige Darlehen und 390 Milliarden Euro Finanzzuschüsse an die EU-Staaten. Das wichtigste Instrument ist die Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) mit einem Umfang von 672,5 Milliarden Euro, davon 360 Milliarden Euro Darlehen und 312,5 Milliarden Euro Finanzzuschüsse. "NextGenerationEU" hat eine ausgeprägte Umverteilungskomponente: Die Zuschüsse kommen den wirtschaftlich schwächeren EU-Staaten deutlich überdurchschnittlich zugute. Allerdings ist eine Betrachtung der Nettopositionen der Mitgliedsländer in Hinblick auf "NextGenerationEU" wenig zielführend.
Expansiver Effekt
Zum einen dürften alle EU-Staaten bereits durch die Verabschiedung des Pakets profitiert haben. Die Einigung hat das Vertrauen in der EU gestärkt, sie hat die Zinsen für die Staatsverschuldung auch für die hoch verschuldeten Länder niedrig gehalten und damit bisher fiskalisch unhaltbare Situationen verhindert. Sie hat zudem das Risiko einer Destabilisierung der Eurozone und die Wahrscheinlichkeit einer noch tieferen Wirtschaftskrise in Ländern mit hoher Ausgangsverschuldung verringert: Denn diese könnten durch die Aussicht auf künftige "NextGenerationEU"-Gelder dazu veranlasst werden, umfangreichere schuldenfinanzierte Fiskalpakete aufzulegen, als sie das ohne das EU-Aufbaupaket getan hätten.
Zum anderen legen Simulationen der EU-Kommission und der EZB nahe, dass das Aufbaupaket für alle EU-Staaten positive und längerfristige ökonomische Effekte haben kann. Auch wirtschaftsstarke Länder wie Österreich erfahren demnach einen - wenn auch unterdurchschnittlichen - positiven BIP-Effekt. Weitere Simulationen zeigen die Wirkung von "NextGenerationEU" als koordinierter fiskalischer Impuls in der EU: Dadurch ausgelöste expansive Effekte in einzelnen EU-Ländern haben positive Spillover-Effekte für andere, wodurch dort indirekt die ökonomische Erholung gefördert wird.
Dabei profitieren die wirtschaftlich schwächeren EU-Staaten primär von einem expansiven Effekt durch die Verwendung der EU-Mittel im Inland. Für die reicheren wie Österreich dagegen, die gemessen am BIP unterdurchschnittlich hohe Zuschüsse erhalten, spielen die Spillover-Effekte der geförderten Maßnahmen anderer Länder eine größere Rolle. Voraussetzung für die erwarteten kurzfristigen konjunkturellen und längerfristigen strukturellen Effekte ist allerdings, dass die EU-Gelder in produktive Projekte fließen und diese zusätzlich sind, also nicht bereits geplante und budgetierte Investitionen mit den Zuschüssen finanziert werden.
Verzögerung der Umsetzung
In Österreich wurde der Aufbau- und Resilienzfazilität bisher noch keine hohe Priorität beigemessen. Anders als die meisten anderen EU-Länder hat Österreich nicht die seit Oktober bestehende Möglichkeit genutzt, vorab Entwürfe, Ideen und Konzepte an die EU-Kommission zu übermitteln und sich ein Feedback geben zu lassen. Vielmehr soll erst Ende April der fertige nationale Aufbauplan, mit dem die EU-Gelder zu beantragen sind, übermittelt werden. Das birgt die Gefahr einer Verzögerung der Umsetzung, sollte die EU-Kommission grundsätzliche Kritik an den vorgeschlagenen Projekten üben und eine grundlegende Überarbeitung fordern.
Dabei ist die Bedeutung der RRF-Mittel nicht zu unterschätzen. Erstens haben die abrufbaren Zuschüsse auch für Österreich eine relevante Größenordnung. Nach ersten Schätzungen sollten sie knapp 3,5 Milliarden Euro betragen. Der Betrag könnte sich aber deutlich erhöhen, sollte der Wirtschaftseinbruch, auf dessen Tiefe ein Teil der Zuweisung beruht, höher sein als bei der Verabschiedung von "NextGenerationEU" erwartet. So würde Österreich laut aktueller Schätzung des Budgetdiensts auf Grundlage der Winterprognose der EU-Kommission mehr als 4 Milliarden Euro erhalten, die zwischen 2021 und 2026 fließen könnten.
Zuschüsse für die Zukunft
Zweitens sind die Zuschüsse auch qualitativ bedeutsam: Die Aufbau- und Resilienzfazilität ist explizit sehr zukunftsorientiert - so sollen 37 Prozent der Mittel dem Klimaschutz und 20 Prozent dem digitalen Wandel gewidmet werden. Zudem werden Bildung und Qualifizierung sowie arbeitsmarktpolitische Initiativen gefördert. Insgesamt sind die EU-Staaten aufgefordert, in ihren nationalen Aufbauplänen ein kohärentes Maßnahmenpaket zu schnüren, um die Transformation hin zu nachhaltigerem Wirtschaften zu fördern, ausgehend von der Erkenntnis, dass die grüne und digitale Transformation nicht gelingen kann, wenn sie nicht in Qualifizierungsmaßnahmen und aktive Arbeitsmarktpolitik eingebettet ist sowie in Maßnahmen, die etwaige negative soziale Konsequenzen der Transformation abfedern. Dabei soll auch die Gleichstellung von Frauen und Männern explizit gefördert werden.
Österreich hat bereits eine Reihe von Offensivmaßnahmen auf den Weg gebracht: etwa Investitionen in öffentlichen Verkehr, Gebäudesanierungen, nachhaltige Heizsysteme, Breitbandausbau, Digitalisierung der Schulen sowie diverse Arbeitsmarkt- und Qualifizierungsoffensiven. In all diesen Bereichen gäbe es weiteren längerfristigen Investitionsbedarf, zu dessen Deckung die EU-Mittel einen wertvollen Beitrag leisten würden. Wichtig wäre, dass Österreich als eines der EU-Länder, die fiskalischen Spielraum haben, die RRF-Mittel für zusätzliche Projekte, die die bereits budgetierten Initiativen ergänzen, nutzt.
Zudem sind gemäß den Umsetzungsrichtlinien der Aufbau- und Resilienzfazilität die beantragten Projekte in komplementäre Reformen einzubetten, vor allem in solche, die die EU-Kommission in der Vergangenheit in ihren länderspezifischen Empfehlungen angemahnt hat. Für Österreich wären das etwa eine ökologische Steuerreform oder Maßnahmen zur Unterstützung der Vollzeitbeschäftigung von Frauen. Insgesamt können somit die RRF-Zuschüsse Österreichs Weg hin zu einer ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltigeren Entwicklung sehr wirksam unterstützen. Ihre baldige Beantragung sollte daher höchste Priorität haben.