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Rückblende, 1. 1. 2014: In Garmisch-Partenkirchen sorgt ein milchgesichtiger Flachländer aus dem Tullnerfeld für die Sensation beim Neujahrsspringen: Thomas Diethart, unmittelbar vor der Vierschanzentournee noch ein besserer Platzspringer im zweitklassigen Kontinentalcup, stellt die Konkurrenz und die Fachwelt vor ein Rätsel, als er auf der Olympiaschanze mit Punkterekord zu seinem ersten Weltcuptriumph segelt. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Zuerst der Tournee-Sieg, dann Olympia-Silber mit dem Team samt grenzenloser Euphorie in seiner Heimat Michelhausen. Die Geschichte des Jungen, der mit seinem Vater bei der Schanze übernachtete und der aus dem Stand 75 Zentimeter hoch springt, ist Legende - aber interessiert heute keinen mehr. Denn ein Jahr später schlich der 22-Jährige als 25. unbejubelt aus dem Garmischer Auslauf: Weg die Leichtigkeit, weg das Fluggefühl, weg die Weiten. Warum das so ist, weiß keiner - genauso wie sich Experten des Sports Dietharts kometenhaften Aufstieg nicht erklären konnten. So auch nicht Sprung-Faktotum Toni Innauer, der sonst auf alles eine Antwort hat. Einzig die Ursache für diese sprunghafte Schicksalshaftigkeit kann benannt werden, sie liegt in der Sportart selbst: Wenn die perfekte Einstellung der Bindung vielleicht wichtiger ist als Kraft, wenn die aerodynamisch richtige Haltung des linken Daumens relevanter ist als Ausdauer und wenn ein freier Kopf den Absprung vom Schanzentisch punktgenauer gelingen lässt als spartanisches Training, dann ist eigentlich alles gesagt.
Frag nach beim neuen Garmisch-Sieger Anders Jacobsen, der in seiner Karriere vom Höhenflug bis zum Absturz schon alles erlebt hat - und sich nun von seinem unerwarteten Triumph sogar "erschrocken" zeigte. Das Skispringer-Glück ist eben ein Vogerl, durch Training erzwingen lässt sich da gar nichts.