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Die unbeugsame Außenseiterin

Von Martin Trauth

Europaarchiv

Offizierstochter verklagte Vater. | Sozialistin scheut keine Tabubrüche. | Paris. (afp) Als Ségolène Royal ihre Kandidatur für das höchste Staatsamt erklärte, erntete die vierfache Mutter Hohn in der männerdominierten Sozialistischen Partei (PS). "Wer passt dann auf die Kinder auf?", giftete Ex-Premier Laurent Fabius. Doch die erklärte Feministin verfolgte ihr Ziel, "Politik auf andere Art zu machen", unbeirrt weiter. Gegen Macho-Gehabe zu kämpfen ist die 1953 in Dakar geborene Tochter eines Artillerie-Offiziers gewohnt. Als dieser in den 70er Jahren die acht Kinder und die Frau verlässt und sich diese Matratzen bei der Caritas besorgen müssen, verklagt Royal den Vater auf Unterhalt. Über Stipendien schafft sie es bis an Frankreichs Kaderschmiede ENA, wo sie ihren Lebensgefährten Francois Hollande kennenlernt, mit dem sie seitdem ohne Trauschein lebt. Zusammen wechseln beide nach dem Sieg von Francois Mitterrand 1981 als Berater in den Elysée-Palast.


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Belächelte "Madonna

der Umfragen"

1992 bekommt Royal als Umweltministerin ihren ersten Regierungsjob - weil sie verheimlicht, dass sie mit ihrem vierten Kind schwanger ist. Im achten Monat setzt sie später bei einer Fluggesellschaft eine Ausnahmegenehmigung durch, um am Umweltgipfel in Rio teilzunehmen. Zwei Mal wird Royal noch Ministerin, für Schule, von 1997 bis 2000, und für Familie, von 2000 bis 2002.

Zwei Jahre später dann ihr nächster Coup: Bei den Regionalwahlen siegt sie in der Heimat des konservativen Premiers Jean-Pierre Raffarin und ist seitdem Präsidentin der 1,6 Millionen Einwohner zählenden westfranzösischen Region Poitou-Charentes. Nah am Volk macht sie sich mit pragmatischen Projekten einen Namen.

Während Hollande seit 1997 PS-Chef ist, bleibt sie für die übrigen Schwergewichte der Partei die mitleidig belächelte "Madonna der Umfragen". Doch Royal lächelt zurück, strickt sich ihr eigenes Netzwerk an der Parteibasis und bricht mit Tabus der Linken: Sie kritisiert die Regeln zur 35-Stunden-Woche und will jugendliche Straftäter unter Militäraufsicht stellen. Bei der Kür zur Präsidentschaftskandidatin setzt sie sich schließlich klar gegen ihre männlichen Herausforderer durch. Sollte sie auch Sarkozy bezwingen, wäre sie die erste Frau an der Spitze Frankreichs.