Wikileaks-Gründer kann binnen 14 Tagen Wiedereröffnung seines Falls beantragen.
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London. Ein weiteres Mal hat Wikileaks-Gründer Julian Assange am Mittwoch seine Auslieferung nach Schweden verhindern können. Obwohl das Oberste Gericht Großbritanniens - der Supreme Court - grünes Licht für die Auslieferung des 40-Jährigen gab, kann Assange fürs Erste weiter in England bleiben. Seine Anwälte nämlich fochten den "letztgültigen" Spruch des Gerichts unmittelbar und erfolgreich an. Möglicherweise muss der Fall vor dem Supreme Court nun völlig neu aufgerollt werden.
Assange, gegen den die schwedische Justiz im Zusammenhang mit mutmaßlichen sexuellen Vergehen einen internationalen Haftbefehl ausgestellt hat, wehrt sich seit eineinhalb Jahren gegen seine Auslieferung nach Stockholm. Er wurde nach dem Erlass des schwedischen Haftbefehls im Dezember 2010 von Scotland Yard festgenommen und verbrachte eine Woche in einem Londoner Gefängnis. Anschließend wurde er in den Hausarrest "entlassen". Ein wohlhabender Gönner in East Anglia nahm ihn damals auf seinem Landgut auf.
Im langwierigen juristischen Verfahren befand erst der High Court und nun also auch der Supreme Court gegen ihn. Beide Gerichte betrachten die Auslieferung als "rechtmäßig". Den Supreme Court hatte Assange angerufen, weil der Haftbefehl in Schweden statt von einem Richter von der dortigen Anklagebehörde ausgestellt worden war. Das, meinte sein Anwaltsteam, verstoße gegen die britischen Auslieferungs-Regeln.
In ihrem gestrigen Urteil lehnten fünf der sieben Richter diesen Einspruch ab. Damit wäre eigentlich der Weg zur Auslieferung frei geworden. Assanges Anwälte monierten aber, dass der Spruch sich auf Argumente gründe, die während der Verhandlung überhaupt nicht zur Sprache kamen. Dem Supreme Court blieb nichts anderes übrig, als Assange Gelegenheit zu einem weiteren Einspruch zu geben.
Wachsende Image-Probleme
Binnen 14 Tagen können die Anwälte des Wikileals-Gründers nun ihre Einwände geltend machen. Danach müssen die Richter des Obersten Gerichts entscheiden, ob sie an ihrem ursprünglichen Spruch festhalten - oder ob sich das Verfahren weiter hinaus zieht. Denkbar ist für Assange auch noch die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er selbst betrachtet den schwedischen Haftbefehl als ein "politisches Manöver", um ihn in seiner "Aufklärungsarbeit" zu behindern.
Der gebürtige Australier, der 2006 zusammen mit Freunden die Web-Plattform Wikileaks begründete und in der Folge zu ihrem bekanntesten Gesicht wurde, war zu weltweiter Prominenz gelangt, als Wikileaks im Jahr 2010 eine Fülle geheimer diplomatischer Mails aus den USA zugespielt bekam und im Netz veröffentlichte. In jüngster Zeit ist Wikileaks allerdings in beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten geraten. Durch den Boykott mehrerer Kreditkartefirmen sind Spenden an die Enthüllungsplattform fast unmöglich geworden, auch der Ruf von Wikileaks hat durch das Verfahren gegen seinen prominentesten Kopf massiv gelitten.
Für die schwedische Justiz haben Assanges Web-Aktivitäten allerdings nichts mit der Auslieferungs-Forderung zu tun. Laut der Staatsanwaltschaft hat der 40-Jährige bei einem Stockholmer Kongress im Sommer 2010 jene 31-jährige Frau, bei der er übernachtete, im Schlaf überrascht und ungeschützt mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt. Im Fall einer 27-jährigen Wikileaks-Sympathisantin soll Assange trotz des Einspruchs der jungen Frau die Verwendung eines Kondoms abgelehnt und während des Sex auch Zwang durch das eigene Körpergewicht ausgeübt haben. Da das schwedische Sexualstrafrecht deutlich schärfer ist als jenes in anderen europäischen Ländern wird Assange im Fall der 31-Jährigen, mit der er bereits zuvor einvernehmlich Sex gehabt hat, minderschwere Vergewaltigung vorgeworfen.
Assange weigerte sich von Anfang an, den schwedischen Behörden Rede und Antwort zu stehen. Unter anderem erklärte er, Schweden würde ihn weiter an die USA ausliefern - wo man ihm wegen der von Wikileaks enthüllten Dokumente den Prozess machen wolle.