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Köln · Peter Finkelgruen sucht nicht den Mörder. Der ist bekannt und lebt von deutscher Sozialhilfe in einem Altersheim in Bayern. Was der Kölner Journalist sucht, ist eine Antwort. Er will | wissen, warum Anton Malloth · der Mörder seines Großvaters · nicht zur Rechenschaft gezogen wird.
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Der Enkel hat die Beweise, daß Martin Finkelgruen am 10. Dezember 1942 im Gestapo-Gefängnis Theresienstadt durch den SS-Oberscharführer Anton Malloth getötet wurde. Und Prag hat sie auch,
weshalb der einstige Wachmann 1948 dort in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Unter dem Titel "Unterwegs als sicherer Ort" sendete 3SAT, der Gemeinschaftskanal von ORF, ZDF und SRG, am
Sonntagabend zwei Filme zu der fast unendlichen Causa eines ungesühnten Mordes.
Peter Finkelgruen stieß 1988 beim Zeitungslesen auf den Namen, just als der Korrespondent der Deutschen Welle aus Israel in die Zentrale nach Köln zurückkehrte. Da war doch etwas! Fielen der Name und
der Begriff "Kleine Festung" nicht in Erzählungen aus Kindertagen? Der Journalist begann mit der Recherche, ein Jahr später erstattete er Anzeige gegen Anton Malloth wegen Mordes bei der
Staatsanwaltschaft Dortmund.
Der Enkel weiß jetzt, daß der 1912 in Innsbruck geborene Malloth im Dritten Reich für Deutschland optierte. Nach Kriegsende flüchtete der SS-Mann nach Südtirol, bekam Anfang der Fünfzigerjahre die
italienische Staatsbürgerschaft und verlor damit de jure die deutsche. Inzwischen gibt es auch Haftbefehle gegen ihn in Österreich. In der Bundesrepublik Deutschland wurde Malloth seit 1940 weiter
als Deutscher geführt. Da der Fall weitere Kreise zog, wählte Italien die bequemere Lösung und wies den Kriegsverbrecher 1988 nach Deutschland aus. Das war übrigens die Pressenotiz, die Peter
Finkelgruen bei seiner Rückkehr nach Köln las.
Die deutschen Ermittlungen gegen Anton Malloth schleppten sich Jahre hin. Schließlich befand die Zentralstelle für Ermittlungen von NS-Verbrechen in Dortmund am 21. Juni dieses Jahres, den Fall
"wegen Mangels an Beweisen" einzustellen. Für Deutschland also ist die Causa erledigt. Nicht aber für Finkelgruen, Prag und das Simon-Wiesenthal-Zentrum (SWC) in Jerusalem. Seit 1998 ist nämlich
durch Finkelgruens Aktivitäten bekannt, daß Anton Malloth seit 1952 · so die Bestätigung des Bayerischen Innenministers Beckstein an den SWC-Direktor Efraim Zuroff · staatenlos ist. Man mußte ihm den
Personalausweis entziehen. Auf welcher Grundlage also München Sozialhilfe an Malloth zahlt, wäre die nächste Frage.
Nach der Dortmunder Verfahrenseinstellung reiste Zuroff nach Prag. Wie der Israeli gegenüber der APA erklärte, prüfe Justizminister Otakar Motejl derzeit die neue Rechtslage und werde im
kommenden Monat darüber entscheiden, ob Prag einen Auslieferungsantrag für Malloth an Deutschland stellt. Zuroff teilte ferner mit, er habe den festen Eindruck gewonnen, daß Tschechien die Causa auf
keinen Fall zu den Akten legen will.
Der Fall hat nun bereits den Deutschen Bundestag erreicht. Finkelgruen hatte Mitte Juni einen offenen Brief an die Parlamentarier geschrieben und bis jetzt ein Dutzend Stellungnahmen erhalten. So
wandte sich die Grünen-Abgeordnete Annellie Buntenbach nach der Dortmunder Entscheidung gleich an Justizministerin Däubler-Gmelin (SPD) mit der Aufforderung, notwendige Maßnahmen für eine zügige
Auslieferung an die Tschechische Republik zu ergreifen, da die Dortmunder Entscheidung den Verdacht nährten, Malloth solle vor einer Anklage geschützt werden.