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Die unendliche Kärntner Geschichte

Von Robert Benedikt

Politik

Seit den 1970er Jahren wird über die Ortstafeln gestritten. | Extreme Gruppen auf beiden Seiten torpedieren Lösung. | Klagenfurt. Im Burgenland, in Südtirol, im Süden Dänemarks, auf Korsika und Sardinien sind mehrsprachige Ortstafeln längst eine Selbstverständlichkeit, nur in Kärnten sorgen sie immer wieder für Aufregung. Zuletzt gerieten sie in die Schlagzeilen, als ruchbar wurde, dass die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ein Amtsmissbrauchsverfahren gegen den Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler eingestellt hat.


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Dörfler hatte 2006, damals noch als Verkehrsreferent, gemeinsam mit dem mittlerweile verstorbenen Landeschef Jörg Haider im Süden des Landes Ortstafeln verrückt, um damit Urteile des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zu umgehen. Der VfGH hatte nämlich 18 Kärntner Orten das Recht auf zweisprachige Ortstafeln zuerkannt, darunter auch Bleiburg und Ebersdorf. Um diese Entscheidung des Höchstgerichtes nicht umsetzen zu müssen, versetzten Haider und Dörfler die Ortstafeln im Februar 2006.

Das Argument: Wenn die Tafel einen neuen Standort hat, gilt das VfGH-Urteil nicht mehr und muss erneut verhandelt werden. Der Gerichtshof hat diese Aktion später als unzulässig beurteilt. Im Juli desselben Jahres ließ Dörfler dann zwar zweisprachige Ortstafeln für Bleiburg und Ebersdorf produzieren - aufgestellt wurden diese aber nicht.

Im anlaufenden Nationalrats-Wahlkampf 2006 erfand Haider dann eine neue Variante: Unter dem Motto "Kärnten wird einsprachig" ließ er zweisprachige Ortstafeln entfernen, die er höchstpersönlich durch deutsche Ortsschilder mit kleinen slowenischen Zusatztafeln ersetzte. Diese gibt es heute noch.

Ortstafel-Sturm unter Bundeskanzler Kreisky

Das leidige Ortstafel-Thema bewegt das Land seit dem legendären "Ortstafel-Sturm" Anfang der 1970er Jahre, als die Bundesregierung unter Bruno Kreisky die Aufstellung zweisprachiger Bezeichnungen verfügt und realisiert hatte. Wütende "Heimatschützer" rissen diese damals aus und zerstörten sie.

Seither ist das Thema immer wieder aufgeflackert. Vor allem Jörg Haider verstand es in geradezu genialer Weise, die Volksgruppen-Frage für sich und seine Partei zu instrumentalisieren. Die Devise lautete stereotyp: "Wir lassen uns von außen nichts aufoktroyieren." Dabei kam ihm zugute, dass Wien all die Jahre untätig blieb. Denn die slowenische Volksgruppe hat ein im Staatsvertrag verbrieftes Recht auf zweisprachige Ortstafeln. Allerdings müsste die Regierung eine Durchführungsverordnung erlassen, in wie vielen Orten solche Tafeln aufzustellen sind. Die ist bis dato ausständig.

Vor allem Exbundeskanzler Schüssel hat sich immer wieder um eine Lösung bemüht, einige "Runde Tische" einberufen und den Grazer Historiker Stefan Karner mit der Suche nach einer Lösung beauftragt. Ergebnis war das "Schüssel-Haider-Papier", das die Aufstellung von 141 Tafeln vorsah. Schon hofften alle beteiligten Gruppen, für das leidige Thema endlich eine Lösung gefunden zu haben, da verweigerten die SPÖ-Verhandler in letzter Minute ihre Zustimmung.

Während man im betroffenen Südkärnten immer wieder zu hören bekommt, dass die Bevölkerung längst die Nase voll habe von der nicht enden wollenden Diskussion, findet die Politik in ihrem Bemühen, das Feuer aus wahltaktischen Gründen am Lodern zu halten, in teils extremen Kärntner Gruppierungen willkommene Unterstützung. Da agiert auf der einen Seite der Rat der Kärntner Slowenen, der Maximallösungen einfordert.

"Konsensgruppe" als Sensation gefeiert

Auf der anderen (Extrem-)

Seite steht der Abwehrkämpferbund, der am liebsten gar keine zweisprachigen Tafeln sähe und immer wieder latente Ängste schürt, wonach Slowenien den Süden Kärntens in sein Staatsgefüge einverleiben wolle.

Zu diesen beiden Gruppen formierte sich in den letzten Jahren eine Gegenbewegung, die alle Hebel in Bewegung setzt, um endlich ein friedliches Miteinander von deutsch- und slowenischsprachigen Kärntnern herbeizuführen. Die Gründung dieser "Konsensgruppe" 2006 wurde in Kärnten als Sensation gewertet, vereinigte sie doch Repräsentanten beider Volksgruppen, die sich bis dahin feindselig, um nicht zu sagen hasserfüllt gegenüber gestanden waren.

Josef Feldner, Obmann des rund 10.000 Mitglieder starken Heimatbundes, hatte bis dorthin die streng nationale Denkweise vertreten, Marjan Sturm, Chef des Zentralverbandes der Slowenen, die hundertprozentige Realisierung der Minderheitenrechte eingefordert. Durch heftige und intensive Diskussionen und den Vergleich der persönlichen Lebensläufe war man zur Auffassung gelangt, dass es sinnvoller sei, gemeinsam auf eine Lösung hinzuarbeiten.

Die "Konsensgruppe" versucht, mit regelmäßigen Pressekonferenzen, Diskussionen und Veröffentlichungen das Bild zu löschen, ganz Kärnten sei durch die Ortstafel-Frage in zwei verfeindete Lager gespalten. Gemeinsam wurde ein Buch mit dem Titel "Kärnten neu denken" herausgegeben. Darin wurden Argumente für die Öffnung des Landes gesammelt - mit dem wichtigen Hinweis, dass sich das Bundesland seiner zentralen Lage im Dreiländereck Österreich, Slowenien und Italien bewusst werden und die darin liegenden kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Chancen endlich nutzen müsse.

Die Politik will von all diesen Lösungsansätzen nichts wissen. Die Landeshauptmann-Partei hat sich erst unlängst auf den Standpunkt einzementiert: "Keine weiteren Ortstafeln." BZÖ-Obmann Uwe Scheuch sowie Landeshauptmann Dörfler argumentieren unter Verweis auf das Wahlergebnis vom heurigen März: Wenn die Kärntner eine höhere Anzahl von zweisprachigen Ortstafeln wollten, so hätten sie dem BZÖ nicht 45 Prozent der Stimmen gegeben.

+++ Chronologie

1955: Österreich sichert Slowenen und Kroaten im Staatsvertrag Minderheitenrechte zu.

1972: Die Regierung unter Bruno Kreisky beschließt die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in 205 Orten und löst den "Ortstafel-Sturm" aus.

1976: Im Volksgruppengesetz wird ein Slowenen-Anteil von 25 Prozent als Voraussetzung für die Aufstellung zweisprachiger Tafeln festgeschrieben.

1977: Die Topographie-Verordnung sieht 91 zweisprachige Tafeln vor. Sie werden aber nie zur Gänze aufgestellt.

2001: Der VfGH bezeichnet die 25-Prozent-Grenze als zu hoch und hebt diesen Teil des Volksgruppengesetzes auf.

2005: Der Historiker Stefan Karner präsentiert einen Kompromiss-Vorschlag mit 158 zweisprachigen Tafeln.

2006: Jörg Haider versetzt eigenhändig Ortstafeln, um Erkenntnisse des VfGH nicht umsetzen zu müssen.

2007: Haider nennt als Voraussetzung für eine Ortstafellösung eine Minderheiten-Feststellung.

2009: Nach dem Wahlsieg im März lautet die BZÖ-Parole: Keine weiteren zweisprachigen Ortstafeln.

+++ Links:Der Disput mit dem Nachbarn verschärft sich