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Die unendlichen Weiten erleben

Von Gregor Kucera

Wissen
Was ist schöner als der Blick in die unendlichen Weiten des Alls? Genau, der Ausblick zurück auf den Blauen Planeten.
© Fabio Formaggio / EyeEm / Getty

Früher meist ein unerreichbarer Kindheitstraum, werden Reisen ins Weltall nun auch für Normalsterbliche – mit entsprechendem Budget – möglich. Doch wie wird man eigentlich Astronaut?


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Wer träumt nicht einmal in seinem Leben davon, die unendlichen Weiten des Weltalls zu bereisen? Ein Blick in den Sternenhimmel oder einfach "nur" eine Mondfinsternis und man möchte am liebsten weit weg von der Erde, in fernen Sphären schwebend, den Weltraum erkunden. Umso interessanter, was die heimkehrenden Astronauten dann als ihr schönstes Erlebnis beschreiben – nämlich den Blick zurück: Aus dem All auf den "Blauen Planeten" schauen, die Erde in ihrer Pracht strahlend aus der Ferne bewundern.

Am 23. November kommt eine Gruppe von Menschen im Grand Palais Éphémère (GPE, eine temporäre Veranstaltungshalle auf dem Champ de Mars) in Paris ihrem Traum von der Raumfahrt einen großen Schritt näher. An diesem Tag wird die neue Klasse ESA-Astronauten vorgestellt, gemeinsam mit Ersatz-Astronauten und einem Team von Astronauten mit Beeinträchtigungen aus dem sogenannten "Parastronaut"-Programm.

Eine Ausbildung in sechs Phasen

Nach über zehn Jahren startete die ESA 2021 erstmals wieder ein großes Auswahlverfahren für neue Astronauten. Wer schon immer vom Weltraum geträumt hat, konnte sich als Astronautin oder Astronaut bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA bewerben. Die Unterlagen konnten online eingereicht werden. Wer die erste Hürde übersprang, der durfte sich auf ein sechsstufiges Auswahlverfahren freuen.

Die Anforderungen an den besonderen Job sind hoch: Bewerberinnen und Bewerber müssen mindestens einen Master-Abschluss in Naturwissenschaften, Medizin, Ingenieurwissenschaften, Mathematik oder Informatik und mindestens drei Jahre Berufserfahrung haben. Zwar ist eine Pilotenlizenz keine Pflicht, aber jeder sollte die medizinischen Voraussetzungen erfüllen, um eine Lizenz machen zu können. Es muss ein medizinisches Gutachten eingereicht werden. Sehr gutes Englisch und eine weitere Fremdsprache sind außerdem verpflichtend. Da an Bord der ISS auch Russisch gesprochen wird, erhalten die Raumstation-Bewohner in spe auch einen entsprechenden Sprachkurs im Rahmen ihrer Ausbildung, die mehrere Jahre dauert.

Voraussetzung sind außerdem eine Körpergröße zwischen 1,50 und 1,90 Meter, die maximale Altersgrenze liegt bei 50 Jahren. Die Astronauten müssen im ersten Monat der Ausbildung einen Schwimmtest bestehen – gut schwimmen zu können ist also essenziell. Sie müssen auch bereit sein, längere Zeit unter Wasser zu trainieren und einen Führerschein haben beziehungsweise bereit sein, selbigen zu machen. Wer zuvor eine Tätigkeit ausgeübt hat, in der Risikomanagement gefragt war, hat einen Vorteil. Denn Raumfahrt ist mit Risiken und Gefahren verbunden.

Früheren Angaben nach suchte die ESA etwa vier bis sechs sogenannte Karriere-Astronauten. Sie werden als festangestellte ESA-Mitarbeiter eingestellt und für die Weltraummissionen eingesetzt. Außerdem will die Raumfahrt-Organisation bis zu 20 Astronautinnen und Astronauten als Reserve.

Die ESA ist außerdem explizit auf der Suche nach einer Astronautin oder einem Astronauten mit einem bestimmten Grad an körperlicher Behinderung. Das Programm heißt "Parastronaut". Es soll helfen, Zugangsbarrieren für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen abzubauen. Vier Kategorien wurden geschaffen: Beeinträchtigungen unterhalb des Knöchels; solche unterhalb des Knies; starke Längenunterschiede der Beine; eine Körpergröße unter 1,30 Meter. So wolle man auch erfahren, wie weit man die körperlichen Hürden verschieben und wer an einer Mission teilnehmen könne, sagt Rüdiger Seine, Leiter des Astronautentrainings. Offen ist, ob der oder die Auserwählte am Ende wirklich an einer Mission im Weltraum teilnehmen wird. Die ESA teilte mit, dass mehr als 22.500 valide Bewerbungen eingingen, davon auch 464 aus Österreich, zusätzlich 257 Bewerbungen für das Parastronaut-Programm. "Die Kernqualifikationen, die wir suchen, liegen nicht im akademischen Bereich – das ist die Grundvoraussetzung. Wir suchen Allrounder, keine Spezialisten", sagt Seine. Viel wichtiger seien die Teamfähigkeit in einem multikulturellen und interdisziplinären Umfeld sowie unter hohem Stress konzentriert arbeiten zu können, Neugierde, sich klar ausdrücken zu können und die Meinung der Crewmitglieder wertzuschätzen, auch wenn sie nicht der eigenen entspricht.

Nicht nur in Europa, sondern auch in Russland, China und den USA werden Astronauten gesucht. Beim letzten Bewerbungsverfahren der US-Raumfahrtbehörde NASA im Jahr 2020 meldeten sich mehr als 12.000 Menschen an. Die Bewerbungen stammten aus allen 50 Bundesstaaten der USA, teilte die NASA mit. Die Voraussetzungen waren US-Staatsbürgerschaft, Master-Abschluss in einem naturwissenschaftlichen Studienfach und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung oder mindestens 1.000 Stunden Flugtraining. Vor der Aufnahme müssen die Kandidaten zudem einen Fitnesstest bestehen, bevor sie dann möglicherweise zu Mond und Mars aufbrechen könnten. Bei der bisher letzten Ausschreibung 2017 hatte sich eine Rekordzahl von 18.000 Menschen beworben. Elf Männer und Frauen waren ausgesucht worden und hatten im Jänner ihre Ausbildung abgeschlossen. Insgesamt hat die NASA damit derzeit knapp 50 aktive Astronauten zur Verfügung.

Von der Höhle zum Weltraumspaziergang

Unterwelt: Missionen im Weltall werden vor allem an abgelegenen Orten mit spezifischen, man könnte auch unwirtlich dazu sagen, Bedingungen durchgeführt, etwa in Höhlen oder Wüsten – sowohl aus Sand als auch aus Eis. F
© ESA / R. Bresnik

Die spezifischen Fähigkeiten lernen die Astronauten im Training: Zuerst absolvieren sie ein einjähriges Basistraining, anschließend lernen sie etwa, wie man das Raumschiff wartet oder einen Außenbordeinsatz macht. Überlebenstrainings in Höhlen, Wäldern oder Wüsten runden diesen ersten Block ab. Gegebenenfalls ist auch der schon erwähnte Russisch-Sprachkurs in dieser Zeit zu absolvieren. Vor einer konkreten Mission gibt es ein zweijähriges Training. Dabei – und um beim Auswahlverfahren aus der Masse zu stechen – kann es hilfreich sein, bereits Erfahrungen als Analog-Astronaut zu haben. Diese führen auf der Erde Simulationen oder Experimente unter weltraumähnlichen Bedingungen durch.

Die Ausbildung sei "schon lang und hart, und es gibt in der Vorbereitung Momente, wo man zu zweifeln anfängt", sagte der deutsche Astronaut Alexander Gerst bei einer Online-Pressekonferenz zum Ausschreibungsstart des ESA-Ausbildungsprogramms. Etwa als er bei minus 20 Grad Celsius vier Tage ohne Schlafsack oder Zelt im sibirischen Wald überleben musste. "Man muss Spaß an der Arbeit haben, sonst hält man das nicht durch." Zur ISS zu fliegen oder wie Gerst dort Kommandant zu sein, entschädige jedoch für diese Momente.

Ein Tag im Weltall

Im All wird jeder Tag der Astronauten durch die Missionskontrolle minutiös durchgeplant. Der Weckruf ist das Signal dafür, dass der zwölfstündige Arbeitstag beginnt. Frühstücken und duschen – also ganz wie auf der Erde und doch gänzlich anders – stehen am Beginn. Lebensmittel gibt es in Pulver- und Tubenform und für die Körperhygiene steht kein Wasser zur Verfügung, es werden Feuchttücher, mit denen sich Astronauten "waschen", verwendet. Danach folgt die Teambesprechung mit den täglichen Aufgaben und deren Verteilung. Die Missionskontrolle befindet sich auf der Erde, weshalb die Kommunikation beispielsweise per Videoübertragung erfolgt. Ebenso wird auch der Kontakt zu Freunden und Familie aufrecht gehalten.

Wem die Haushaltsführung in den eigenen vier Wänden auf Erden schon wenig Spaß macht, der sollte sich einen Weltraumausflug noch einmal sehr genau überlegen: Die Pflege des Wohnraumes, also in dem Fall die der Raumstation, ist wichtig. Es handelt sich dabei um sehr große Flächen, die natürlich instandgehalten und jeden Tag gepflegt werden müssen. Somit beanspruchen die Reinigung und Reparatur der Raumstation viel Zeit. Es gibt drei feste Mahlzeiten sowie Getränke und Zwischenmahlzeiten für die Besatzung.

Reparaturarbeiten in der Schwerelosigkeit verlangen nach echten Allroundern. Auf der Raumstation sind viele, unterschiedliche Qualifikationen gefragt.
© ESA / A. Romeo

Wissenschaftliche Experimente gehören auch zum Arbeitsalltag. Bei der Durchführung hat man regelmäßigen Kontakt zu den Kollegen auf der Erde. Die Wissenschafter und andere Astronauten unterstützen das Besatzungsteam fortlaufend. Viele Berufe im Labor, medizinische Berufe und auch der Bereich Naturwissenschaft und Forschung spielen eine wichtige Rolle. Bei speziellen biowissenschaftlichen Experimenten sind Astronauten zudem die Versuchsperson.

Die letzte wichtige Säule im All ist die regemäßige Fitness – daher werden täglich rund zwei Stunden dem Training gewidmet. Vor allem wenn Weltraumspaziergänge anstehen, kann man diese nicht ohne mehrstündige Trainingseinheiten angehen. Wer sich also als Fachmann auf vielen Gebieten sieht, kann diesen Beruf für sich ergreifen und wird damit einer von nicht einmal 600 Menschen, die die Erde schon einmal von oben sehen durften.