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Das Ausmaß der Erkrankung ist laut Experten weit unterschätzt.
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London/Wien. Gliederschmerzen, Schüttelfrost, Fieber, Halsschmerzen, Husten: Wenn die echte Grippe zuschlägt, dann in vollen Zügen. Zwei Wochen kann es dauern, bis man im wahrsten Sinne des Wortes wieder alltagstauglich ist. In Österreich sind laut Schätzungen jährlich zwischen 300.000 und 400.000 Menschen davon betroffen. Dies scheint allerdings nur ein Bruchteil der tatsächlich Infizierten zu sein. Denn drei Viertel der Grippeinfizierten zeigen keinerlei Symptome, wie Forscher vom University College in London jetzt herausgefunden haben. Fast jeder fünfte Ungeimpfte wird in einer Saison von Viren mit Bezeichnungen wie H1N1 oder H3N2 befallen. Nur 17 Prozent sind demnach so krank, dass sie auch einen Arzt aufsuchen.
Spitze des Eisbergs
"Die dokumentierten Influenzafälle repräsentieren nur die Spitze eines riesigen Eisberges, der vom Gesundheitssystem unentdeckt bleibt", erklärt der Studienautor Andrew Hayward in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "The Lancet Respiratory Medicine".
Im Rahmen der sogenannten "Flu Watch"-Studie, die seit den 1980er Jahren geführt wird, sammelten Forscher in Großbritannien über sechs Influenza-Saisonen hinweg - von 2006 bis 2011 - ihre Daten von knapp 5500 Probanden. Verglichen wurden die Belastung und Intensität der saisonalen und pandemischen Influenza. Jene der Schweinegrippe H1N1 sowie des in den vergangenen Jahren vielfach verbreiteten Grippevirus H3N2.
Jeweils am Beginn und am Ende der Grippesaison wurde den Studienteilnehmern Blut abgenommen. Wöchentlich wurden sie daraufhin nach Symptomen befragt. Traten Krankheitszeichen auf, waren die Probanden dazu angehalten, einen Nasenabstrich einzuschicken. Sowohl Abstrich als auch das Blut dienten den Wissenschaftern zum Nachweis der Grippeviren.
Die Influenza verursacht jährlich immerhin zwischen 250.000 und 500.000 Todesfälle weltweit. In Österreich liegt die Zahl der Grippetoten laut den Aufzeichnungen bei 1300 pro Jahr.
"Die meisten Menschen gehen nicht zum Arzt, wenn sie die Grippe haben", stellt Hayward fest. Und tun sie es dann doch, so ist nicht sichergestellt, dass dieser schließlich auch die richtige Diagnose stellt.
Mit ihrer Studie wollen die Wissenschafter darauf hinweisen, dass die bisherigen Statistiken das Ausmaß der Erkrankung weit unterschätzen. Immerhin war die Zahl der Influenzafälle im dokumentierten Zeitraum im Durchschnitt 22 Mal höher als die bis dahin bekannten Daten.
Dabei stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß infizierte Menschen, bei denen die Erkrankung unbemerkt verläuft, an der Weiterverbreitung der Infektion während einer Grippewelle beteiligt sind, betont Peter William Horby von der Oxford University Clinical Research Unit in Vietnam. Dies sei allerdings eine nach wie vor unbeantwortete Frage.
Daher sei es nicht angebracht, die Grippe auf die leichte Schulter zu nehmen. Durchaus kann daraus eine ernsthafte Krankheit werden, die vor allem für alte und immungeschwächte Menschen auch tödlich enden kann.