US-Forschern ist ein bedeutender Durchbruch in der Kernfusion gelungen. "Breakthrough wird in die Geschichtsbücher eingehen", heißt es.
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Zum ersten Mal ist es Wissenschaftern gelungen, bei einer Kernfusionsreaktion mehr Energie zu erzeugen als verbraucht wird. Über dieses Ergebnis eines solchen Experiments wurde bereits am Montag spekuliert. Dienstagnachmittag gaben US-Energieministerin Jennifer Granholm und das Lawrence Livermore Laboratory (LLNL) diesen"bedeutenden wissenschaftlichen Durchbruch" bekannt. "Dieser Breakthrough wird in die Geschichtsbücher eingehen", hieß es in einem Livestream des Energieministeriums. Es ist ein großer Schritt in einem jahrzehntelangen Bestreben, aus einer nahezu unbegrenzten und sicheren Quelle sichere, saubere Energie zu schöpfen.
Der Durchbruch war von der "Financial Times" gemeldet worden. Die Schlagzeile sorgte international für großes Aufsehen. Denn seit Jahrzehnten versuchen Forschende, die Kernfusion nachzubilden. Dabei verschmelzen leichte Atomkerne zu schweren Kernen. Die Fusion erfolgt nur bei großem Druck und hoher Temperatur, wobei Energie freigesetzt wird. Im Inneren der Sonne und anderer Sterne gehen sie ständig von sich.
Alternative zu fossiler Energie
Um eine solche Kernfusion herbeizuführen, ist ein erheblicher Energieaufwand nötig. Auf lange Sicht gesehen, könnte sie allerdings eine Alternative zur Verbrennung fossiler Brennstoffe und der umstrittenen Kernspaltung werden. Denn im Gegensatz zur Spaltung entstehen bei der Kernfusion keine langlebigen radioaktiven Abfälle.
"Die Kernfusion hat das Potenzial, eine nahezu unbegrenzte, sichere, saubere und kohlenstofffreie Grundlast-Energiequelle zu liefern", betont Robbie Scott von der Plasmaphysikgruppe der Central Laser Facility des Science and Technology Facilities Council, der an der Forschung mitgewirkt hat, in der "Financial Times". Das Experiment beweise eindeutig, dass die Physik der Laserfusion funktioniere. Um das Ergebnis in die Energieerzeugung zu übertragen, bleibe noch viel zu tun, "aber dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin".
Obwohl seit den 1950er Jahren Dutzende Versuchsreaktoren gebaut wurden, war es bisher in keiner Anlage gelungen, mehr Energie zu erzeugen als für den Prozess benötigt wird. Nun soll ein Nettoenergiegewinn von 120 Prozent erreicht worden sein.
Unterschiedliche Methoden
Um das Ziel zu erreichen, gibt es unterschiedliche Methoden. Das US-Projekt National Ignition Facility des LLNL erzeugt Energie durch die sogenannte thermonukleare Trägheitsfusion. Dabei werden Pellets, die einen Wasserstoffbrennstoff enthalten, in eine Reihe von fast 200 Lasern gefeuert, die im Wesentlichen eine Reihe von extrem schnellen, wiederholten Explosionen mit einer Geschwindigkeit von 50 Mal pro Sekunde erzeugen. Die aus den Neutronen und Alphateilchen gewonnene Energie wird als Wärme abgeleitet. Diese Wärme ist der Schlüssel zur Energieerzeugung.
Noch findet das Ganze in sehr kleinem Maßstab statt. Die Stromversorgung und die Beheizung von Gebäuden ist damit noch lange nicht gewährleistet. "Das entspricht in etwa dem, was man braucht, um zehn Kessel Wasser zu kochen", erklärt Jeremy Chittenden, Vizedirektor des Centre for Inertial Fusion Studies am Imperial College in London gegenüber der CNN.
In Großbritannien arbeiten Forschende mit einer riesigen, donutförmigen Maschine namens Tokamak, die mit riesigen Magneten ausgestattet ist. Kleine Mengen Brennstoff, die in den Tokamak eingeleitet werden, aktivieren die Magnete, um Plasma zu erzeugen. Dieses muss mindestens 150 Millionen Grad Celsius erreichen, was zehnmal heißer ist als der Kern der Sonne. In dem Prozess verschmelzen die Teilchen des Brennstoffs miteinander. Die Energie wird als Wärme auf die Wände des Tokamaks übertragen. Diese Wärme kann genutzt werden, um Wasser zu erwärmen, Dampf zu erzeugen oder Turbinen zur Stromerzeugung anzutreiben. Im vergangenen Jahr konnten Wissenschafter in der Nähe von Oxford mit der Methode zwar anhaltende Energie produzieren, doch diese hielt nur fünf Sekunden an.
Weg zu häufiger und billiger
Damit die Fusionsenergie allerdings weltweit Stromnetze versorgen kann, muss sie lange genug aufrechterhalten werden. Zudem müsse auch ein Weg gefunden werden, um denselben Effekt viel häufiger und viel billiger reproduzieren zu können, "bevor wir dies realistisch in ein Kraftwerk verwandeln können", so Chittenden.
Die neuesten Ergebnisse, sofern sie zutreffen, übertreffen den letzten großen Durchbruch der Anlage, der erst letztes Jahr erzielt worden war, als bekannt wurde, dass das Forschungsteam 70 Prozent der in das Experiment eingebrachten Laserenergie als Kernenergie freigesetzt hat, schreibt die "Financial Times".