)
Warum es höchste Zeit wäre, die Fiktion von der "gerechten Verteilung der Flüchtlinge" endlich auch ganz offiziell aufzugeben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wer draufkommt, dass er ein totes Pferd reitet, ist üblicherweise ganz gut beraten, abzusteigen und sich nach einem anderen Fortbewegungsmittel umzusehen. Umso bizarrer ist, was die EU-Kommission nach dem Ungarn-Referendum erklärte. Ein Sprecher verwies lapidar darauf, was der Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos schon vor dem Wochenende erklärt hatte: Die im Jahr 2015 (von der Mehrheit der Mitgliedstaaten) beschlossenen Pläne zur "fairen Verteilung" von 160.000 Flüchtlingen seien umzusetzen. Punkt. Andernfalls "behält sich die Kommission alle rechtlichen Schritte vor".
Dass der Plan in der Realität schon längst gescheitert ist, scheint nicht zu interessieren. Nicht erst seit dem ungarischen Referendum ist jedem, der auch nur leidlich mit den Fakten vertraut ist, völlig klar, dass das Konzept der EU-weiten Quoten für die Zuweisung von Migranten auf alle Mitgliedstaaten nicht funktioniert, nicht funktionieren kann und nie funktionieren wird. Von den 160.000 Migranten, die binnen zweier Jahre verteilt werden sollen, sind bisher gerade 5000 tatsächlich dort, wo sie laut Quoten-Planwirtschaft sein sollen. Wird die Aufteilung der Zuwanderer weiter so erfolgreich betrieben, wird der letzte schon um das Jahr 2047 herum umgesiedelt sein.
Noch toter kann ein Pferd eigentlich nicht sein, aber die Fiktion "Gerechte Verteilung" wird in Brüssel wie auch in Berlin weiter unverdrossen als Lösung präsentiert, anstatt Alternativen zu entwickeln. Das ist ungefähr so erfolgversprechend wie eine medizinische Therapie, die evidentermaßen wirkungslos ist, stur fortzusetzen. Dass der Plan, Migranten "par ordre du Euro-Mufti" zu verteilen, gescheitert ist, hat einen überaus simplen Grund: Er ist in den meisten Staaten - mit Ausnahme jener, die davon profitieren würden, natürlich - von überschaubarer Popularität. Das mag man bedauerlich finden oder auch nicht, es ist Faktum. Was, etwa angesichts der Wahlen in Frankreich im kommenden Jahr und des europaweiten Erstarkens der politischen Rechten als Kollateralschaden der einstigen Willkommenskultur, kein ganz triviales Argument ist.
Es ist ja nicht so, dass nur die Ungarn das nicht wollen. Genauso wenig wollen die Migranten planwirtschaftlich umverteilt werden. Wer aus Nordafrika nach Europa kommt, der will natürlich dorthin, wo ihn die attraktivsten Lebensbedingungen erwarten, vor allem in materieller Hinsicht. Von Rumänien oder Bulgarien träumt deshalb kaum einer der Migranten. Eine "gerechte Verteilung" kann daher nicht klappen, außer mit eher unschönen Methoden, die niemand will. Menschen in Länder zu bringen, die diese Menschen nicht wollen und in die auch diese Menschen nicht wollen - dass das nichts wird, kann eigentlich nicht wirklich schwierig zu behirnen sein.
Daran ändert auch ein Mehrheitsbeschluss eines Brüsseler Gremiums nichts. Pferd tot, aber null Überraschung. Im Grunde hatte die Verteilungsfiktion nur einen einzigen politischen Nutzen: notdürftig zu camouflieren, dass es schwerstes Versagen war, 2015 nicht so schnell wie möglich die Außengrenzen der Union so robust zu sichern, dass 2016 gar kein Verteilungsplan notwendig geworden wäre. Aber das ist längst verschüttete Milch, leider.