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Die ungeliebten Energieziele

Von Matthias Nagl

Wissen
Die "Lebensader Mur" - eine Bürgerinitiative - sammelte Unterschriften gegen das geplante Wasserkraftwerk im Lungau an der Mur (Visualisierung).
© Salzburg AG

Der Ausbau der Wasserkraft erfreut sich eher geringer Beliebtheit.


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Salzburg. In einer Woche beginnt in Doha der 18. Weltklimagipfel, bei dem auf allerhöchster Ebene auch wieder Energiefragen diskutiert werden. Dabei handelt es sich um einen globalen Event, bei dem regelmäßig hohe Erwartungen enttäuscht werden. Wie mühsam das Erreichen der gesteckten Ziele ist, zeigt sich aber auch auf viel niedrigerer Ebene, wenn etwa Österreich bei der Energieproduktion den Umstieg auf erneuerbare Energien schaffen will.

Vor ziemlich genau einem Monat äußerten Österreichs Energieerzeuger anlässlich ihres Kongresses in Innsbruck massive Zweifel am geplanten Ausbau der Wasserkraft. Das bis 2015 geplante Volumen von 3,5 Milliarden Kilowattstunden soll nicht einmal zu einem Drittel erreicht werden, klagte Peter Layr, Präsident des Branchenverbandes "Oesterreichs Energie".

Dieser Ausbau ist notwendig, da der Energieverbrauch auch weiterhin steigen wird - laut der "Energiestrategie Österreich" der Bundesregierung um 8,4 Prozent vom Ausgangsjahr 2005 bis zum Jahr 2020. Gleichzeitig soll der Anteil an erneuerbarer Energie um zehn Prozent auf 34 Prozent des gesamten Energieverbrauchs steigen. Ein Ziel, das ohne den Ausbau der in Österreich unter den erneuerbaren Energieträgern dominanten Wasserkraft nicht möglich ist.

Dieser Ausbau brauche dringend mehr Unterstützung von Politik und Verwaltung, forderte Layr beim Energiekongress in Innsbruck. Da es sich beim Kraftwerksbau aber um ein sensibles Thema handelt, geht der Politik bedingungslose Unterstützung nicht so leicht von der Hand. Eher im Gegenteil. So hat in Salzburg ein Kraftwerksprojekt vor kurzem für eine Koalitionskrise in der Landesregierung gesorgt. Der Landesenergieversorger Salzburg AG - das Land ist Haupteigentümer - will im Lungau an der Mur ein Wasserkraftwerk errichten, bei dem dem Fluss Wasser entnommen wird, das ihm einige Kilometer flussabwärts nach Durchlaufen eines Stollens wieder zugeführt wird.

Nachdenkpause für Projekt

Bald nach Bekanntwerden der Pläne formierte sich im Frühjahr Widerstand. Die Bürgerinitiative "Lebensader Mur" sammelte mehrere tausend Unterschriften gegen das Kraftwerk und übergab eine Petition an den Salzburger Landtag. Auch die "Kronen Zeitung" stellte sich auf die Seite der Kraftwerksgegner und fuhr eine Kampagne gegen das Projekt. Vor einem Monat forderte Landeshauptmann-Stellvertreter Wilfried Haslauer (ÖVP) via Medien eine Nachdenkpause für das Projekt sowie einen energiepolitischen Masterplan für das Bundesland und stieß damit Koalitionspartner SPÖ vor den Kopf. Dieser warf Haslauer Populismus und wahltaktische Überlegungen vor.

Schließlich könne die Nachdenkpause bis zu zwei Jahre dauern, Anfang 2014 stehen in Salzburg die nächsten Landtagswahlen auf dem Programm. Am Montag beschloss die Landesregierung, zunächst die bereits vorliegende Studien bis Februar zu prüfen und zu aktualisieren.

Wie es einem ungeliebten Kraftwerksprojekt ergehen kann, ist aktuell in der Osttiroler Gemeinde Matrei zu beobachten. Dort wollte der Tiroler Landesversorger Tiwag zunächst ein großes Pumpspeicherkraftwerk errichten, das wurde nach massiven Protesten verworfen. Nun soll etwas weiter flussabwärts am Tauernbach ein kleineres Laufkraftwerk entstehen, das mit 27 Megawatt nur mehr einen Bruchteil der ursprünglich geplanten Leistung bringt.

Eine Gemeinde kämpft

Vergangene Woche war Tiwag-Chef Bruno Wallnöfer persönlich im Matreier Gemeinderat um das Projekt, das bis Ende März 2013 für die Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht werden soll, vorzustellen. Bei der geplanten Einreichung werden mehr als acht Jahre vergangen sein, seitdem die Pläne erstmalig öffentlich wurden. Im Gemeinderat wird unterdessen darüber gestritten, ob sich die schwer verschuldete Gemeinde am Kraftwerk beteiligen soll, was laut Tiwag unrealistisch ist, und wie hoch die Entschädigungszahlungen für das Kraftwerk sein sollen. Die Opposition setzt darauf, dass es gegen den Willen der Gemeinde kein Kraftwerk geben wird.

Das ist auch die große Hoffnung der Kraftwerksgegner im Lungau. "Ich erwarte von den Politikern, dass sie zu ihrem Wort stehen", sagt Josef Holzer, Sprecher der Bürgerinitiative. Politiker beider Regierungsparteien hätten versprochen, dass es gegen den Willen der Bevölkerung kein Kraftwerk geben wird.

Angst vor dem Rinnsal

Die Salzburg AG will die betroffenen Gemeinden dennoch vom Projekt überzeugen. "Wir haben bereits viele Kraftwerksprojekte realisiert, es ist nicht unüblich, dass die Begeisterung nicht von Anfang an groß ist", sagt Sprecher Sigi Kämmerer. Holzer, dessen Initiative glaubt, dass der Fluss aufgrund der Wasserausleitung streckenweise zu einem Rinnsal verkommt, sieht dafür kaum Chancen. "Wenn ich etwas kaputt mache, ist es kaputt."