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Die Ungerechtigkeit der Atomkraft

Von Martin G. Petrowsky

Gastkommentare

Die einen tragen "Verantwortung", die anderen das Risiko. | 1978 hat Gerhart Bruckmann die Gefahr eines GAU errechnet - die Realität überholte seine Quote.


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1978 warnte Gerhart Bruckmann in seinem Buch "Sonnenkraft statt Atomenergie" vor den Gefahren, die durch Freisetzung bisher gebundener Energie zusätzlich zur Sonneneinstrahlung für das Erdklima drohen.

1978 beschloss Bruno Kreisky, die Inbetriebnahme des bereits fertiggestellten AKW Zwentendorf durch eine Volksabstimmung zu legitimieren und damit die Diskussion über Nutzen und Gefahren zu beenden. Da sich die Fachleute völlig uneinig waren, stellte sich vor allem die Frage, ob die Anwendung dieser Technologie überhaupt ethisch vertretbar sei.

Seither sind 33 Jahre vergangen; 1986 "passierte" Tschernobyl und 2011 Fukushima.

1978 hatte Bruckmann auf Basis des sogenannten Rasmussen-Reports die Wahrscheinlichkeit einer nuklearen Katastrophe abgeschätzt: Bei angenommenen 500 AKW weltweit wäre mit einem GAU alle 34 Jahre zu rechnen.

Derzeit sind weniger als 450 Reaktoren in Betrieb, doch zwischen Tschernobyl und Fukushima liegen nur 25 Jahre!

Die 1978 von den Befürwortern vertretenen Ansichten haben im Lichte dieser "Störfälle" einen makabren Beigeschmack bekommen - insbesondere hinsichtlich der Gefährdung bei Erdbeben (Fehlen jeder Sicherheitsmarge), der Gefährdung durch Strahlung (in der Umgebung der AKW wurden bis zu 250 Mal höhere Strahlenbelastungen als behauptet gemessen) und der Gefährdung durch Atommüll (die Prognose, die Endlager-Frage werde in längstens zehn Jahren gelöst sein, war falsch).

Man sollte erwarten, dass jetzt - nach 33 Jahren, zwei GAUs und unlösbaren Problemen im deutschen "Endlager" Asse - die Risikoabschätzung mit mehr Sorgfalt vorgenommen würde. Die aktuellen Aussagen vieler Politiker und Lobbyisten lassen aber leider an ihrer Lernfähigkeit zweifeln, manche klingen geradezu zynisch - zum Beispiel der polnische Premier Donald Tusk: Es gebe technische und konstruktionsbedingte Möglichkeiten, um ein Atomkraftwerk sicher zu bauen. Wir dürften aber nicht übertreiben. Und der "Industriepolitiker" Erhard Fürst meint, jede Energieerzeugung sei riskant, und er vergleicht den Super-GAU mit einem Dammbruch.

Was mich dabei besonders bedrückt: All diese Leute, die so großzügig von der Beherrschbarkeit der Technik sprechen, haben im Fall einer katastrophalen Panne jede Möglichkeit, sich und ihre Familien unverzüglich aus dem Gefahrenbereich zu retten. Die "kleinen Leute" aber, die rund um die AKW leben, haben diese Chance nicht. Die Menschen in Japan, die jetzt ihre Häuser aufgeben mussten und dafür ganze 8000 Euro Entschädigung erhalten, und die Arbeiter, die unter enormer Strahlenbelastung bei den Reparaturversuchen ihr Leben aufs Spiel setzen, zahlen den Preis für Größenwahn, Profitgier und Verantwortungslosigkeit der Entscheidungsträger.

Martin G. Petrowsky ist Geschäftsführer der Erika Mitterer Gesellschaft, freier Berater, Schriftsteller und Herausgeber

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Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.