Forschung zur größten und ältesten deutschsprachigen Hochschule. | Uni vollzog alle gesellschaftlichen Entwicklungen nach. | Wien. Angesichts der anhaltenden Studentenproteste hätte man fast vergessen können, dass an der Universität Wien auch Wissenschaft betrieben wird. Anlässlich einer zweitägigen Arbeitstagung am Universitätscampus wurde die Uni Wien am Freitag und heute, Samstag, selbst zum Objekt der Wissenschaft. Die Institute für Geschichte und Zeitgeschichte luden zur Tagung "Die Universität Wien im 20. Jahrhundert - Wissenschaftsgeschichte im Kontext".
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Laut Friedrich Stadler, Gastgeber und Zeitgeschichteprofessor an der Uni Wien, sind Hochschulen "keine autonomen Einheiten, sondern gesellschaftliche Subsysteme". Die Universität als Spiegel oder Abbild der Gesellschaft quasi. Daher ist die wissenschaftliche Betätigung damit auch nie reine Institutionengeschichte.
1365 gegründet, ist die Wiener Universität nicht nur die älteste im deutschsprachigen Raum (die Prager Uni ist zwar älter, aber keine deutschsprachige Hochschule mehr), sondern mit 74.000 Studenten in 180 Fächern auch die größte. Als solche bietet sie sich natürlich als Forschungsgegenstand an, zumal sie auf eine sehr bewegte Geschichte zurückblickt.
Österreich im Kleinen
Keiner der politischen oder gesellschaftlichen Brüche des 20. Jahrhunderts, die Österreich betrafen, ließ die Universität unberührt. Sei es das Ende der Monarchie, das das Haus am Ring vom wissenschaftlichen Zentrum eines Weltreiches zur Hauptuni eines Kleinstaates degradierte. Sei es die turbulente Zwischenkriegszeit, in der sich die politischen Lager auf akademischem Boden bis aufs Blut bekämpften. Sei es der Anschluss an Hitlerdeutschland, der zu einem personellen Aderlass führte, von dem sich die heimische Wissenschaft nie mehr erholen sollte (45 Prozent des Lehrpersonals wurden aus politischen oder rassischen Gründen entlassen). Oder sei es die Nachkriegszeit, wo sich der schwierige Umgang Österreichs mit Remigranten auf der Universität widerspiegelte. Nicht zu vergessen die Kreisky-Ära, als sich die Uni Wien zu einer Massenuni entwickelte (seit 1970 hat sich die Studentenzahl mehr als verdreifacht) und eine Demokratisierung erlebte.
Für das 20. Jahrhundert ist die Geschichte der Wiener Universität relativ gut erforscht. Allein die Tagungsmappe enthält rund 90 Abstracts historischer Arbeiten über die Alma Mater Rudolphina. Daher soll die Tagung einer Bestandsaufnahme dienen, anhand derer dann ein "Forschungslückenkatalog" entstehen soll, sagt Zeithistoriker Oliver Rathkolb.
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