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Die unklare Rolle der Schule

Von Simon Rosner und Karl Ettinger

Politik

Die Wissenschaft lieferte bisher widersprüchlich scheinende Erkenntnisse über die Relevanz der Schule in der Pandemie. Ein Über- und Ausblick.


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Seit Beginn der Pandemie stehen die Schulen im Fokus der öffentlichen Debatte. Dass sie fast überall sehr früh geschlossen wurden, ist vor allem dem Wissen geschuldet, dass Kinder bei der Influenza bedeutende Verbreiter mit oft extrem hoher Viruskonzentration sind. Wie sich dahingehend Sars-CoV-2 verhält, war unerforscht.

Seither hat es, wie auch der Hygiene-Facharzt Hans-Peter Hutter der MedUni Wien bestätigt, ein "Hin und Her" in der Forschung zur Frage gegeben, welche Rolle Schulkinder in der Pandemie spielen. Die Studien, die aus aller Welt publiziert wurden, sind da mitunter widersprüchlich. Grundsätzlich gilt, dass volle Klassenräume jene Charakteristika aufweisen, die Superspreadings vereint: Innenräume mit schlechter Belüftung, viele Menschen auf engem Raum, die miteinander kommunizieren, teilweise auch heftig, also lauter.

In einer großen, über 1000 Schülerinnen und Schüler fassenden Mittelschule (12 bis 18 Jahre) in Israel ist es zu einem größeren Ausbruch gekommen, bei dem 153 Schüler (von 1164) und 25 Beschäftigte (von 125) am Ende infiziert waren. Doch diese Schule in Jerusalem bildet die Ausnahme. Hutter spricht von einer Infektionsrate zwischen ein und drei Prozent, die bei Studien nachgewiesen wurde. In Jerusalem lag sie deutlich darüber, jenseits der zehn Prozent, doch es waren auch Jugendliche (die höchste Infektionsrate fiel bei 15-Jährigen an).

Die räumlichen Gegebenheiten, die Klassengrößen, die Hygieneregeln und die sonstigen Maßnahmen sind von Land zu Land unterschiedlich, direkte Vergleiche seien daher schwierig, sagt Hutter. Worin sich die Wissenschaft mittlerweile einig sei: Kinder erkrankten seltener, sind also häufiger asymptomatisch. Zweitens: "Wer symptomlos ist, gibt weniger Viren ab", so Hutter.

Ein Überblick der McMaster University in Kanada über die wissenschaftliche Datenlage kam auch kürzlich zum Schluss, dass junge Kinder keine Hauptquelle von Übertragungen in Schulen und Betreuungseinrichtungen sind, diese passieren vorwiegend in den jeweiligen Haushalten. Auch die kanadischen Forscher weisen aber explizit auf die noch dürftige Evidenz hin.

Fokus auf Risikopersonen

Dass es in Schulen zu Infektionen kommt, ist zwar eine Tatsache, doch trotz der dort herrschenden geradezu "idealen" Bedingungen für Superspreading sind Massenansteckungen in Schulen rar und bei jungen Kindern gar nicht dokumentiert. Da vielerorts die Bildungseinrichtungen lange geschlossen waren, könnte der Herbst aber andere Daten liefern.

Mag das epidemiologische Risiko, dass Schulen wie bei der Grippe Beschleuniger sind, bei Covid-19 auch eine geringere Rolle spielen, so bleibt das Risiko von Infektionen dennoch bestehen: für Kinder, die das Virus dann vielleicht nach Hause tragen oder zu Großeltern; für Lehrerinnen und Lehrer, von denen in Österreich viele schon älter sind und daher ein erhöhtes Erkrankungsrisiko aufweisen. "Es gibt aber auch chronisch kranke Kinder" sagt Hutter. "Diese Gruppen müssen berücksichtigt werden."

Unter anderem deshalb soll auch intensiv getestet werden. Auf der Pressekonferenz von Bildungsminister Heinz Faßmann demonstrierten zwei Volksschüler, wie der Gurgeltest auch von jüngeren Schülern durchgehalten werden kann. Der Hauptvorteil dieses Tests besteht darin, dass er schneller und vor allem schmerzfrei funktioniert - verglichen mit dem Rachenabstrich, bei dem es getesteten Personen auch Tränen in die Augen treibt.

Nach einem Probelauf bei 5000 Schülerinnen und Schülern in Wien im Frühjahr wird das Bildungsministerium in Zusammenarbeit mit den Universitäten Wien, Linz, Graz und Innsbruck mit den Gurgeltests ein Monitoring im neuen Schuljahr starten. Damit soll vor allem auch die Dunkelziffer an Infektionen an Schulen geklärt werden, wie Faßmann erläuterte.

Dafür werden immerhin 15.000 Schüler alle drei Wochen getestet. Die eine Hälfte der getesteten Schüler kommt aus Volksschulen, die andere Hälfte aus der Sekundarstufe I, also Mittelschulen und AHS-Unterstufen. Zusätzlich machen auch 1200 Lehrer bei dem Gurgeltest mit. Der Bildungsminister betonte, dass damit den vom Gesundheitsministerium durchgeführten Gesundheitstests "keine Konkurrenz" gemacht werde. Der Molekularbiologe Michael Wagner von der Universität Wien sicherte zu, dass die Testergebnisse innerhalb von spätestens 24 Stunden vorliegen werden.

Der Gurgeltest basiert darauf, dass die Testperson eine Kochsalzlösung eine Minute lang gurgelt. Diese Tests werden in Pools bis zu zehn Stück ausgewertet. Nur bei einem positiven Test folgt dann auch noch zusätzlich ein PCR-Abstrichtest durch die Gesundheitsbehörden. Bei allen Verdachtsfällen wird weiter von den Gesundheitsbehörden getestet.

Die Rolle der Schule in der Epidemie ist auch deshalb von Relevanz und seit Monaten hierzulande wie auch in anderen Ländern heftig umstritten, da ein Schließen von Schulen als besonders schädlich für die Zukunft der Kinder sowie für die (berufliche) Gegenwart der Eltern bewertet wird. Der Heimunterricht verstärke auch Chancenungleichheit, sagt etwa der Schweizer "Schul-Barometer". Schweden und Australien ließen die Schulen deshalb auch weitgehend offen.