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Die UNO-Charta steht über EU-Recht

Von Gerald Mader

Europaarchiv

Seit Wochen beschäftigt die Schaffung der EU-"Battle Groups", an denen auch Österreich mit 200 Soldaten teilnehmen wird, die Öffentlichkeit. Ihr Zweck ist es, in humanitären Krisensituationen schnell handlungsfähig zu sein.


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Die Realpolitik der EU läuft Gefahr, sich verstärkt in Richtung Militärmacht nach amerikanischen Vorbild zu entwickeln. Diese Gefahr ist nach dem Wahlsieg Georg W. Bushs noch größer geworden. Konkret bedeutet dies: Vorrang des Militärischen für die Lösung politischer Probleme mit nationalen Interessen als oberstem Wertmaßstab. Dies führt dazu, dass humanitäre Interventionen nur dort stattfinden, wo sich Öl, Diamanten oder sonstige Ressourcen befinden. Daran sollte auch die EU denken.

Österreich sollte unabhängig von seiner Neutralität eine militärpolitische Entwicklung in der EU (Abwertung der UNO, Krieg wieder als Mittel der Politik), die über echte Verteidigung und begrenzte Friedensmissionen der UNO hinausgeht, nicht fördern. Denn das Ansehen und die Rolle der EU beruhen nicht auf Krieg und Militärmacht, sondern auf friedlichen Mitteln. Und daher sollte machtpolitische Zurückhaltung statt imperialer Politik im Mittelpunkt stehen.

Unter dem Gesichtspunkt des Gewaltverbots der UNO ist auch die Frage zu prüfen, ob Österreich zu einer solidarischen Mitwirkung bei Kriegen der EU ohne UNO-Mandat verpflichtet ist. Denn dies ist nicht nur eine Frage des Neutralitätsrechts sondern vor allem eine Frage des Völkerrechts und der UNO-Charta, wonach den Staaten die militärische Gewaltanwendung nur zur Verteidigung erlaubt ist. Alle anderen militärischen Interventionen sind völkerrechtswidrig, falls für sie kein UNO-Mandat vorliegt. Diese klare Bestimmung der UNO kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Begriff der Verteidigung auf die ganze Welt ausgedehnt wird und Kriege mit Krisenmanagement umschrieben werden. Die europäische Bevölkerung hat zu 80 Prozent den Irak-Krieg der USA verurteilt, UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat ihn für "illegal" erklärt und Staaten wie Frankreich und Deutschland haben sich geweigert teilzunehmen. Was bei den USA verboten und illegal ist, kann bei der EU nicht erlaubt und legal sein.

Tatsache ist jedenfalls, dass sich die EU die Möglichkeit zu völkerrechtswidrigen Kriegen in ihren Verträgen und in ihrer Sicherheitsdoktrin vorbehalten hat. Es stellt sich daher die Frage, ob Österreich verpflichtet ist, an völkerrechtswidrigen Kriegen der EU teilzunehmen.

Richtig ist, dass der Artikel 23 f BVG festlegt, dass Österreich zur solidarischen Mitwirkung an den sogenannten Petersberger Aufgaben verpflichtet ist, wozu auch "friedensschaffende Einsätze" (Kriege) gehören. Nur in den erläuternden Bemerkungen, die keine Gesetzeskraft haben, findet sich der Satz, dass diese Verpflichtung auch dann gilt, wenn es hierfür kein UNO-Mandat gibt. Diese erläuternden Bemerkungen stehen mit dem Gewaltverbot der UNO im eklatanten Widerspruch. Österreich hat im Zusammenhang mit dem zweiten Golfkrieg 1999 ausdrücklich anerkannt, dass es sich als UNO-Mitgliedsstaat allen Rechten und Pflichten der UNO-Charta unterwirft. Der österreichische Verfassungsgesetzgeber kann das Gewaltverbot der UNO auch nicht außer Kraft setzen, da die UNO-Charta das höhere Recht ist. Vor allem kann es in einem Rechtsstaat keine Verpflichtung zur solidarischen Mitwirkung bei Kriegsverbrechen oder Völkerrechtsbrüchen geben. Es sollte im Gegenteil Aufgabe des neutralen Österreichs sein, im EU-Rat durch ein Veto Kriege der EU zu verhindern, die ohne UNO-Mandat geführt werden. Solidarität ja, aber ohne Bruch des Völkerrechts und des Gewaltverbots der UNO.

Gerald Mader ist Leiter des Friedenszentrums Burg Schlaining.