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Die Unreifeprüfung

Von Petra Ramsauer

Politik

Der erste Verlierer des Syrien-Krieges steht fest: Trump. Und das ist nicht nur seine Schuld.


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Wien. Selbst, wenn er dies wollte: Donald Trump hat keine Zeit, um nachzudenken, was er in Sachen Syrien tun wird. Der Bürgerkrieg legte seit dem Fall Ost-Aleppos lediglich eine Atempause ein. Die Waffenruhe ist brüchig. Kämpfe im Großraum der Hauptstadt Damaskus legten die Trinkwasserversorgung von vier Millionen Menschen lahm. 85 Prozent der Menschen brauchen dringend humanitäre Hilfe, nur zum Großteil kommen keine Helfer durch.

Jeden Moment wird eine Offensive auf die Oppositions-Hochburg Idlib erwartet. Hier im Nordwesten Syrien sind radikale Oppositionsgruppen - anders als in Aleppo - am Ruder: Die Al-Kaida-nahe Fateh-al-Sham-Bewegung, vormals als Nusra-Front bekannt und die islamistische Al-Ahrar.

Dazu sind mehr als 100.000 Menschen vor den Kämpfen aus Aleppo in die winzige Enklave geflohen. Chaos herrscht hier. Bitterste Not. Und vor allem ein massiver Machtkampf zwischen den hierher geflohenen moderaten Rebellen und den mächtigen Dschihadisten. "Viele haben Angst vor noch mehr Luftangriffen und auch vor den Radikalen in den eigenen Reihen", berichtet Ahmad Alkhatib, ein syrischer Journalist aus der Region. Bereits jetzt werden Luftangriffe geflogen, dutzende Zivilisten - darunter jene, die der Hölle Aleppos entkamen - starben.

"Aleppo war scheußlich"

Mit dem Vorgehen des syrischen Regimes samt dessen Verbündeten, darunter Russland, in Aleppo hat Donald Trump wenig Freude, wie er in einem Interview mit der britischen "Times" vor wenigen Tagen sehr offen feststellte: "Aleppo war scheußlich. Da haben sie auf alte Frauen geschossen, die kaum gehen konnten. Das sah aus, als würden sie die richtig als Zielscheibe missbrauchen. Fürchterlich ist so etwas."

Der Krieg um Idlib dürfte allerdings noch erbitterter ausgefochten werden als jener um Aleppo. 50.000 Dschihadisten auf Seiten der Opposition, 70.000 Paramilitärs unter dem Kommando des Irans auf Seiten Assads würden in diese Schlacht ziehen. Ob diese nächste Katastrophe durch die am Montag beginnenden Syrien-Gespräche noch verhindert werden kann, ist fraglich. Russlands Präsident Wladimir Putin will in der kasachischen Hauptstadt Astana gemeinsam mit der Türkei und dem Iran sowie der Opposition verhandeln. Eine Einladung an die Administration Trump ist in Washington nun in letzter Minute eingelangt. Es ist eine Doppelmühle: Folgt ihr Trump nicht, wird die erste große internationale Nahost-Konferenz seit Jahrzehnten ohne die USA stattfinden. Geht er hin, positioniert er sich an seinem ersten echten Arbeitstag als Zaungast von Putins Gnaden bei Verhandlungen, die andere längst vorbereiteten.

Was Trump will

Bereits im Wahlkampf im September betonte Trump: "Ich werde mit jedem Land zusammen arbeiten, das uns im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat unterstützt. Und dazu zählt auch Russland. Wenn sie mit uns gemeinsam den IS auslöschen wollen, dann ist das für mich eine Option." Zu diesem Zeitpunkt charakterisierte er den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad auch als "natürlichen Verbündeten" im Kampf gegen Terroristen.

Einfach ist das Engagement im Syrien-Krieg auch dann nicht, wenn es, wie Trump andeutet, auf den Kampf gegen den IS beschränkt bleibt. Die Offensiven gegen die Hochburgen der Terrormiliz im irakischen Mossul und dem syrischen Raqqah kommen voran; aber nur schleppend. In vielen Teilen Syriens, in Deir ez-Zor und Palmyra gewann der IS zuletzt wieder an Boden.

Viel mehr Feuerkraft als Obama hat er kaum zu bieten. Seit dem Herbst 2014 nehmen US-Luftstreitkräfte Stellungen der Terror-Miliz mit über 60 verbündeten Staaten ins Visier. Allein in den ersten beiden Jahren wurden 14.000 Angriffe geflogen. Kostenpunkt 7,6 Milliarden Dollar. Gestoppt wurde der IS so - noch - nicht.

Seit über einem Jahr ist die russische Luftwaffe im Einsatz im Syrien-Krieg. Es hieß, es ginge in erster Linie "Terroristen" zu bekämpfen. Doch der überwiegende Großteil der 16.000 Angriffe im Vorjahr wurde gegen Stellungen der Opposition geflogen. Verlässliche Verbündete im Kampf gegen den "Islamischen Staat" haben andere Prioritäten.

Dazu es wird Donald Trump und seiner Administration nicht gelingen, zu ignorieren, dass Assad für einen Großteil der 500.000 Opfer des Krieges verantwortlich ist. Bis zu 80 Prozent der Toten lassen sich auf Angriffe des Regimes und dessen Verbündete zurückführen: paramilitärische Einheiten, die unter dem Kommando der iranischen Revolutionsgarden stehen. Vor allem aber durch die russische Luftwaffe, die auch - mutmaßlich gezielt - Spitäler ins Visier nahm.

"Würden Sie Putin als Kriegsverbrecher bezeichnen?" - Mit dieser Frage brachte der republikanische Senator Marco Rubio den von Trump designierten Außenminister Rex Tillerson bei dessen Hearing massiv in Bedrängnis. "Dafür fehlen mir die nötigen Informationen", wich Tillerson aus. Rubio hakte nach. Tillerson geriet ins Stottern. Die Passage geriet zum Fiasko seiner Anhörung.

Dabei wurde auch klar: Der entscheidende Moment für Donald Trumps Syrien-Politik liegt schon mehr als drei Jahre zurück: Ende August 2013, der Zeitpunkt, als stichhaltige Beweise vorlagen, dass Syriens Präsident Bashar al-Assad die "rote Linie" überschritten hatte. Teile der Armee des Landes hatten in dem Damaszener Vorort Ghouta Giftgas eingesetzt. Über 1000 Menschen; darunter zahlreiche Kinder waren ums Leben. Auf das Statement: "Man hätte damals die rote Linie verteidigen müssen", reagierte Tillerson zustimmend. Trump deutlich klarer in dem oben zitierten Interview: "Damals hätte man angreifen sollen. Doch nun ist es zu spät." - Damals verhandelte der Noch-Außenminister John Kerry einen Deal mit Russland aus: Kein Angriff, dafür würden die Giftgas-Depots zerstört. Allianzen mit Russland sind also keine Erfindung Trumps. Ihre Effizienz ist und bleibt fraglich.

Iran als Knackpunkt

Prägen werden die Syrien-Politik des nächsten Präsidenten seine nächsten Mitstreiter wie Tillerson, der ehemalige CEO des Ölgiganten ExxonMobil. Er verfügt über allerbeste Kontakte nach Russland und hält sehr viel Distanz zum Iran. So wie der künftige Präsident lässt er wenig Gutes am Atom-Deal mit dem Land und geht auf verbalen Konfrontationskurs mit dem Iran. Ohne die Zehntausenden Kämpfer schiitischen Milizen, die sich aus der libanesischen Hisbollah, Irakern, Pakistanis und Afghanen zusammensetzen und vom Iran koordiniert, trainiert und befehligt werden, wäre es der massiv geschwächten Assad-Armee allerdings nicht gelungen, den Osten Aleppos einzunehmen. Und ohne ein noch stärkeres Engagement des Irans sind Offensiven auf die letzten Hochburgen der Opposition kaum durchzuführen. Das weiß auch Russlands Wladimir Putin. Und der wird es Trump wissen lassen. Das Problem dabei ist: Sowohl die Offensive gegen die Terror-Miliz IS im Irak wie auch dieser Krieg in Syrien wird vom Iran getragen. Falls Mosul fällt und auch weitere Städte in Syrien, wird der Iran zum großen Sieger aller der Konflikte.

Schein-Schutzzonen?

Neben dem Kampf gegen die Terrormiliz IS lässt sich ein weiteres Leitmotiv einer möglichen Syrien-Politik ausmachen. Trump selbst, aber auch sein Vizepräsident Mike Pence habt mehrmals den Gedanken erwähnt, "Schutzzonen innerhalb Syriens zu schaffen, wo Zivilisten, die auf der Flucht sind, in Lagern untergebracht werden können und sie nicht in Gefahr laufen, abermals Opfer des Luftkriegs zu werden". Bei der TV-Debatte am 9. Oktober hat dies Donald Trump auch ganz klar in Aussicht gestellt. Einmal mehr klingen solche Ansätze auf den ersten Blick logisch. Doch Kenneth Roth, Direktor der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch", wies bereits im Dezember darauf hin: "Noch niemand hat einen Plan vorgelegt, wie die Zivilisten in diesen Zonen eigentlich vor Bodentruppen, Milizen und Luftschlägen geschützt werden sollen."

"Ein solches Konzept funktioniert nur, wenn klar ist, welche Organisation mögliche Schutztruppen zur Verfügung hat. Und vor allem: Welcher Staat ist bereit, eigene Soldaten in den völlig verfahrenen Konflikt um Syrien als Bodentruppen zu entsenden?"

Petra Ramsauers Buch "Siegen heißt, den Tag überleben" ist ab sofort im Buchhandel erhältlich und bietet einen Überblick zum Konflikt in Syrien. Petra Ramsauer hat direkt im Kriegsgebiet recherchiert und beschreibt hier die Hintergründe des Krieges und ihrer Akteure. 208 Seiten, 22,50 Euro. Verlag Kremayr & Scheriau.