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Seit jeher sind die Prognosen der Krankenkassen falsch und immer ist das Ergebnis besser als die Vorschau - Absicht oder Zufall?
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Es ist August 2009 und heiß. Angeblich der fünftwärmster August seit 150 Jahren. Durch die Medien geistern positive Meldungen über Kassenfinanzen. Nachdem im Mai, der ebenfalls zu warm war noch ein Minus von über 130 Millionen Euro erwartet wurde, geht man nun von plus 7,5 Millionen aus. Der Grund dafür sind Steuerzuschüsse.
Im November ist es ebenfalls zu warm, und die Positivmeldungen reißen nicht ab. Das Plus liegt jetzt schon bei 60 Millionen. Politiker sprechen von einer reformbedingten Trendwende. Allerdings schaue die Zukunft nicht rosig aus - da werden die Defizite wieder astronomische Höhen erreichen. Vor 700 Millionen Minus wird gewarnt. Der Jänner zieht ins Land, und ist, anders als seine Vorgängermonate, zu kalt. Das Ergebnis der Kassen für 2009 liegt bei plus 145 Millionen.
Innerhalb von acht Monaten von minus 130 auf plus 145 Millionen Euro. Hängen die Prognosen mit dem Wetter zusammen?
Man kann einwenden, dass es bei den Kassen um etwa 14 Milliarden Euro geht und die Prognosen nur im Promillebereich schwanken. Das stimmt, aber warum soll man sie dann medial so verbreiten, wenn sie ohnehin nichts sagen? Der Grund für diese Zahlenspielereien liegt woanders.
Die Prognosemodelle der Kassen (sie sind streng geheim) sind so simpel, dass sie nie realitätsnahe Werte ausspucken können. Im Wesentlichen wird einfach ein Drei-Jahres-Trend weiter gerechnet. Wäre Gesundheitsökonomie doch nur so simpel - ist sie aber nicht.
Will man wirklich gestaltend und nachhaltig vorgehen und aussagekräftige Prognosemodelle entwerfen, muss man sich ein bisschen mehr anstrengen. Und dafür braucht es Epidemiologen, Demographen und Versorgungsforscher, die nichts anderes tun als sich zu fragen, wie es wirklich aussehen wird. Zwar könnte man meinen, dass es bei den vielen Kassen-Mitarbeitern jemanden gibt, der das kann und macht, aber nachdem doch die meisten dort mit Leib und Seele Gewerkschafter sind, die nicht gestalten sondern verhandeln wollen, ist das nicht der Fall. Und da liegt der Wurm begraben.
Die Zahlen dienen nur dazu, Verhandlungen zu führen, sei es mit Politikern oder Kammern. Dass am Ende die Prognosen von der Realität nur gering abweichen, hängt genau damit zusammen - es wird im Verhandlungsweg retrograd kalibriert. Fehlt Geld, dann erhöht man Beiträge (getarnt als Harmonisierungen) oder erhält Steuergelder (bereits ein Drittel der Einnahmen der Kassen stammen aus Steuern), also Einnahmen, um die "drohenden" Defizite zu decken. Je höher die Defizite, desto höher die Einnahmen. Wenn es sich trotzdem nicht ausgeht, dann verdrängt man über das Honorar- und Planstellensystem der Kassenärzte solange Patienten in Spitäler, bis es sich wieder ausgeht. Und so passt es ins Bild, dass, seit die Kassen nur noch pauschal in die Spitäler einzahlen (1995), die Zahl der Kassenärzte nicht verändert wurde - trotz demographischer und epidemiologischer Veränderungen!
Kassen-Prognosen sind also nicht am Patienten ausgerichtet, sondern um den Machtspielchen zwischen Gewerkschaften, Politikern und Kammern zu dienen. Ernsthafte Prognosen braucht man dazu nicht, sie sind sogar hinderlich.
Und schon jetzt kann ich sagen, dass es nie zu dem prognostizierten Defizit von 700 Millionen Euro kommen wird. Das wird die eine oder andere Steuer- oder Beitragserhöhung schon verhindern - ganz ohne Reform.