Politikprofessor Thomas Ferguson über die Macht des Geldes im US-Wahlkampf.
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Der Kampf um das Weiße Haus ist auch ein Kampf ums große Geld. Mehr als zwei Milliarden Dollar werden Amtsinhaber Barack Obama und sein Herausforderer Mitt Romney bis zum Wahltag am 6. November ausgegeben haben, so viel wie nie zuvor. Während die Parteien in Österreich ihren Wahlkampf großteils mit Staatsgeld finanzieren, bekommen die Kandidaten in den USA ihr Geld allein von Privatspendern. Kritiker wie Thomas Ferguson, Politikprofessor an der Universität Massachusetts, sehen darin die Gefahr massiver Einflussnahme.
"Wiener Zeitung":Sie untersuchen seit Jahren den Einfluss von Konzernen und Geld auf die US-Politik. Ihnen zufolge bestimmen nicht Wähler, sondern Investoren politische Entscheidungen. Wall Street statt Main Street, sozusagen. Woran machen Sie das im aktuellen Wahlkampf fest?
Thomas Ferguson: In den USA sind die Parteien zum Großteil in der Hand von Investoren, welche versuchen, den Staat zu kontrollieren und das System mit Geld fluten. Dieser Wahlkampf wird der teuerste der Geschichte. Seit einem Urteil des Obersten Gerichts im Jahr 2010 gibt es ja faktisch keine Obergrenzen mehr für Konzerne und Individuen, um über die sogenannten Super-Pacs Geld an ihre Wunschkandidaten zu geben. Die Parteien sind dadurch so etwas wie Bankkonten für Investoren geworden. Gerade erst hat eine große Untersuchung der öffentlichen Meinung der vergangenen 40 Jahre gezeigt, dass die Meinungen der unteren und mittleren Einkommensschichten, sobald sie von denen der Reichen abweichen, so gut wie keinen Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Man sieht also zwei große Blöcke von Investoren, die über die Parteien um die Macht streiten, gleichzeitig aber auch relativ große Überschneidungen haben.
Aber es gibt doch Unterschiede. Da ist auf der einen Seite Mitt Romney, ein reicher Geschäftsmann, der bei einem Spenden-Dinner 47 Prozent der Bevölkerung als Schmarotzer beschimpft und gleichzeitig die Steuergeschenke für die Reichen aus der Bush-Ära beibehalten will. Und da ist Präsident Obama, der die Mittelklasse entlasten und die Reichen stärker besteuern will.
Obama sagt, die Superreichen müssen etwas mehr zahlen. Romney sagt, die Reichen müssen nichts zahlen. Das ist der Parteienwettbewerb in den USA.
Die Wall Street bevorzugt in diesem Wahlkampf die Republikaner, die Demokraten bekommen ihr Geld zwar auch aus dem Finanzsektor, vor allem aber von Internetfirmen und Anwaltskanzleien.
2008 war die Finanzindustrie noch überwiegend für Obama. Deshalb hatte ich bereits vor seiner offiziellen Nominierung vorausgesagt, dass es mit ihm als Präsidenten keine ernsthafte Regulierung des Finanzsektors geben wird. Und so kam es dann ja auch. Diesmal tendiert die Wall Street mehr zu den Republikanern, weil die Demokraten 2009 doch noch eine Finanzsektorreform durchsetzten. Es war die Zeit, als Goldman Sachs und viele anderen Firmen ihre Rekordboni ausgewiesen hatten und im Bundesstaat Massachusetts Wahlkampf war. Die Demokraten hatten einfach Angst vor einer Wählerrevolte. Die Episode zeigt aber auch, dass Druck von unten durchaus etwas bewirken kann. Die Finanzsektorreform war dann relativ milde, kostete die Wall Street aber dennoch Geld. Daher das Überlaufen zu den Republikanern. Auffällig ist aber vor allem das Verhalten anderer Branchen. Die Öl-, Kohle- und Chemieindustrie spendet ganz überwältigend für die Republikaner, das Verhältnis liegt bei 80 zu 20. Das liegt am Konjunkturprogramm der Obama-Regierung, von dem alternative Energien profitierten. Und Obama hatte ja auch in den TV-Debatten noch einmal betont, dass er diese Branche weiter fördern will.
Worin unterschieden sich die Geldgeber der beiden Parteien denn grundsätzlich?
Historisch gesehen haben kapitalintensive Sektoren, die Freihandel bevorzugen, wie Banken, die Tabak- oder Ölindustrie, die Demokraten befürwortet. Arbeitsintensive Branchen, die gegen höhere Löhne und starke Gewerkschaften waren, wie die Textil- oder Stahlindustrie, haben dagegen eher die Republikaner unterstützt. Allerdings hat sich die US-Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Nehmen Sie die Wall Street. Arbeitskosten waren für die nie ein direktes Thema. Inzwischen gibt es aber immer mehr Firmen, die sich im Private-Equity-Geschäft engagieren. Das heißt, sie investieren nicht mehr nur in Firmen, sie müssen sie auch managen und die Löhne zahlen. Das führt zu einem deutlich stärker arbeiterfeindlichen Klima an der Wall Street.
Sind Wahlkampfspenden das wichtigste Instrument der Einflussnahme?
Nein, der Einfluss von politischem Geld äußert sich auf viele Arten. Es wird zum Beispiel viel mehr Geld für Lobbying als für Wahlkampfspenden ausgegeben. Dann üben Think Tanks mit ihrer Expertise sowie Unternehmen mit nur vordergründig altruistischen Aktivitäten wie Sponsoring und Spenden einen erheblichen Einfluss auf Politik und die öffentliche Meinung aus. Es gibt auch starke Hinweise, dass Politiker und ihre Familien Insidertipps für die Börse und andere Investments bekommen. Der vielleicht größte Einfluss ergibt sich aber wohl aus dem sogenannten Drehtüreffekt: Politiker, Kongressmitarbeiter und Verwaltungsbeamte wissen, dass sie auf einen lukrativen Posten in der Privatwirtschaft wechseln können - solange sie sich den Interessen der Privatwirtschaft gegenüber als freundlich gesonnen erwiesen haben.
Im vergangenen Wahlkampf hatte Obama den Einfluss der Wirtschaft und des großen Geldes von sich gewiesen und stark auf Kleinspenden gesetzt.
Wenn man sich die Daten genauer anschaut, erkennt man, dass Obama viel mehr Großspender hatte als bisher angenommen. Das wird auch diesmal nicht anders sein. Niemand kann behaupten, Milliarden von Dollar mit Kleinstspenden im Wert von zwei Dollar zusammenzukriegen.
Woran haben Sie den Einfluss von politischem Geld in Obamas erster Amtszeit abgelesen?
Die milde Finanzmarktreform habe ich schon erwähnt, zudem gab es viel Lobbying im Bereich der geistigen Eigentumsrechte. Am bedeutendsten war aber die Entscheidung der Obama-Regierung, die sogenannten Card-Check-Bill, welche die Gewerkschaften gestärkt und unfaire Arbeitsbedingungen erschwert hätte, schnell aufzugeben. Wenn man das Problem der ungerechten Einkommensverteilung wirklich hätte angehen wollen, dann wäre dies der Weg gewesen.