Forscher fanden Biomarker, der gesundheitsschädliches Trinkverhalten vorhersagen kann.
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Ein Achterl in Ehren kann niemand verwehren, glaubt man. Für Genusstrinker dürfte diese Denkweise kein Problem darstellen - einem Alkoholiker kann sie allerdings zum Verhängnis werden. Doch warum werden manche Menschen überhaupt zu Vieltrinkern und in Folge zu Alkoholsüchtigen? Dieser Frage sind Forscher des Salk Institute in La Jolla nachgegangen. Sie haben einen Gehirnkreislauf entdeckt, der eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von Trinkgewohnheiten einnimmt. Er kann als Biomarker herangezogen werden, um künftig eine spätere Alkoholsucht vorhersagen zu können, schreibt das Team um die US-Neurowissenschafterin Kay Tye im Fachblatt "Science". Die Forscher hoffen, mit diesem neuen Wissen auch neuartige Therapien gegen die Alkoholsucht entwickeln zu können.
In Österreich gelten dem Handbuch Alkohol, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit, zufolge etwa 340.000 Menschen als alkoholkrank, knapp 735.000 Österreicher konsumieren Ethanol, wie er in der Chemie genannt wird, regelmäßig in einem gesundheitsschädlichen Ausmaß. Die Zahl an Menschen, die an Alkoholkrankheit leiden, und die dadurch bedingten sozialen und wirtschaftlichen Folgeschäden sind in absoluten Zahlen in Europa und den USA - neben den Gesundheitsschäden durch Tabakkonsum - um ein Vielfaches höher als bei anderen Drogen.
Triebhaftes Verhalten
7,4 Prozent der gesundheitlichen Störungen und vorzeitigen Todesfälle in Europa werden auf Alkohol zurückgeführt. Damit steht die Krankheit an dritter Stelle als Ursache für vorzeitigen Tod nach Rauchen und Bluthochdruck. Die Internationale Klassifikation für Krankheiten (ICD) listet sie in der Kategorie F10 "Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol".
Die Neurowissenschafter wollten den Ursachen dafür auf die Spur kommen und wurden mit Untersuchungen an Mäusen nun fündig. Frühere Studien haben sich bisher auf die Gehirnentwicklung bei existierender Sucht konzentriert, so die Forscher in der Publikation. Tyes Team hingegen hat die genetische Grundveranlagung im Blickfeld. In der Testreihe wurde Mäusen Alkohol angeboten, der besonders bitter schmeckte. Es bildeten sich drei Gruppen an Trinkern heraus. Tiere, die wenig konsumierten, solche, die viel zu sich nahmen, sowie Mäuse mit deutlich triebhaftem Verhalten. Im Gegensatz zu den ersten beiden Gruppen zeigten sich die Probanden der dritten Kategorie unsensibel gegenüber dem unangenehmen bitteren Geschmack.
Mittels bildgebendem Verfahren richteten die Forscher schließlich ihr Augenmerk auf zwei Gehirnregionen - den präfrontalen Cortex und die periaquäduktale graue Substanz, zuständig für die Selbstkontrolle und die Schmerzwahrnehmung. Es zeigten sich deutliche neuronale Kommunikationsmuster bei den triebhaften Trinkern. Beeinflussten die Forscher diese Nervenwege mittels Lichtimpulsen, war es ihnen möglich, das triebhafte Verhalten einzubremsen. In einem nächsten Schritt sollen die entsprechenden Nervenzellen sequenziert werden, um Angriffspunkte für künftige Therapien herauszufiltern.