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Sozialerhebung des IHS unter Studierenden. | Mehrheit der Studenten mit Migrationshintergrund hat einen österreichischen Elternteil. | Wien. 14 Prozent der rund 300.000 österreichischen Studierenden haben Migrationshintergrund. Dennoch sind Zuwandererkinder kaum an den heimischen Hochschulen vertreten. Diesen ernüchternden Befund liefert die vom Institut für Höhere Studien (IHS) durchgeführte Studierenden-Sozialerhebung für 2009.
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Unterschieden wird in dem Report zwischen Bildungsinländern und Bildungsausländern - je nachdem, wo sie ihre Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Dabei ergibt sich folgende Aufteilung: Die Studentenschaft setzt sich zu 70 Prozent aus Bildungsinländern ohne Migrationshintergrund zusammen und zu sechs Prozent aus Bildungsinländern aus erster Migrantengeneration. Acht Prozent sind Bildungsinländer aus zweiter Migrantengeneration und 16 Prozent sind Bildungsausländer.
Doch wenn man nun die Gruppe der Studierenden mit Migrationshintergrund genauer unter die Lupe nimmt, zeigt sich, "dass diese nichts mit der Gruppe zu tun haben, die man gemeinhin meint, wenn man von der zweiten Generation spricht", betont der Soziologe Martin Unger, Senior Researcher am IHS. (Im Unterschied zur ersten ist die zweite Zuwanderergeneration bereits hier geboren.)
Drei Viertel der Studierenden mit Migrationshintergrund der zweiten Generation haben einen Elternteil, der in Österreich geboren wurde (bei 42 Prozent ist es der Vater, bei 35 Prozent die Mutter). Hoch ist auch der Anteil der Studierenden mit Migrationshintergrund, die einen aus Deutschland stammenden Elternteil haben (zwölf Prozent der Väter und 18 Prozent der Mütter).
Sieht man sich die klassischen Zuwandererländer Ex-Jugoslawien und Türkei an, zeigt sich folgendes Bild: Während 14 Prozent der Väter und auch 14 Prozent der Mütter der ersten Migrantengeneration in Bosnien-Herzegowina geboren wurden, sind es bei der zweiten Generation nur mehr jeweils zwei Prozent.
In der Türkei geborene Väter beziehungsweise Mütter haben sowohl Studierende mit Migrationshintergrund der ersten als auch der zweiten Generation jeweils zu rund fünf Prozent.
Interessant ist auch die Frage nach der Erstsprache: 95,5 Prozent der Studierenden mit Migrationshintergrund der zweiten Generation gaben bei der Erhebung Deutsch als ihre Erstsprache an. 94 Prozent dieser Gruppe verfügen über die österreichische Staatsbürgerschaft (ein Prozent über die deutsche, ein Prozent über die türkische).
Deutsch als Erstsprache
Bei der Gruppe der Studenten mit Migrationshintergrund der ersten Generation ist Deutsch immerhin noch bei 60 Prozent die Erstsprache. Hier sind 47 Prozent österreichische Staatsbürger, elf Prozent Deutsche, fünf Prozent Kroaten, vier Prozent Polen, weitere vier Prozent Slowaken 3,5 Prozent Ungarn und zwei Prozent Türken. Sieben Prozent haben die Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Landes, vier Prozent kommen aus einem europäischen Staat, der kein EU-Mitglied ist, 1,5 Prozent kommen aus Asien.
Worin aber liegt die Ursache, dass klassische Migrantenkinder - etwa der Sohn türkischer Einwanderer oder die Tochter eines Paares, das aus Ex-Jugoslawien nach Österreich kam - kaum an den heimischen Unis vertreten sind?
"Die Ursache liegt ganz klar im Schulsystem", betont Unger. Hier würden viel zu wenig Ressourcen eingesetzt, um Zuwandererkinder ausreichend zu fördern. Sprachförderung müsse bereits lange vor Schuleintritt einsetzen, die frühkindliche Pädagogik gehöre massiv erweitert. Kinder ab dem Alter von zwei Jahren sollten entsprechende Einrichtungen besuchen. Für falsch hält es der Soziologe, auf die hohen Kosten zu verweisen, die dadurch entstünden. Bessere Bildung bringe höher qualifizierte Arbeitnehmer mit besseren Jobs - und davon profitiere die gesamte Gesellschaft: "Das lohnt sich nicht nur für das Individuum, das lohnt sich auch für die Allgemeinheit", sagt Unger.
Frage der sozialen Schicht
Wird kein Geld in die Hand genommen, setzt sich das derzeitige Bild fort: Nur Kinder mit Migrationshintergrund aus sozial höheren Schichten können an Hochschulen reüssieren. Auffallend ist nämlich, dass sie auch etwas weniger an den Fachhochschulen und den Pädagogischen Hochschulen vertreten sind als Studierende ohne Migrationshintergrund. "Es ist ein Schritt, ein Studium aufzunehmen. Es ist aber noch ein viel größerer Schritt, ein Philosophiestudium aufzunehmen", meint Unger. Die Ausbildung an FHs und PHs sei praxisnäher und bilde für einen konkreten Beruf aus. Grundsätzlich würden sich hingegen für ein geisteswissenschaftliches Studium eher Studierende aus höheren sozialen Schichten entscheiden.
Konkret studieren 80 Prozent der Bildungsinländer an einer wissenschaftlichen Universität, zwei Prozent an einer Kunstuni, 14 Prozent an einer FH und vier Prozent an einer Pädagogischen Hochschule. Migranten der ersten Generation haben sich zu 84 Prozent für eine wissenschaftliche Uni entschieden, zu fünf Prozent für eine Kunst-Uni, nur zu acht Prozent für eine FH und zu zwei Prozent für eine Pädagogische Hochschule. Von den Studierenden mit Migrationshintergrund der zweiten Generation besuchen 84 Prozent eine wissenschaftliche Uni, zwei Prozent eine Kunst-Uni, zehn Prozent eine FH und drei Prozent eine Pädagogische Hochschule.
www.sozialerhebung.at