Die zunehmende Entertainisierung unseres Lebens hat auch den Wahlkampf beeinflusst. Strache und Haider haben davon profitiert - und von der kollektiven Knappheitsangst.
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Angesichts des Ausgangs der Nationalratswahl in Panik zu verfallen, wäre verkehrt. Angst ist nie ein guter Ratgeber und Österreichs Demokratie wohl stark genug, um selbst diesen vehementen Rechtsruck zu verkraften. Zu fragen ist freilich nach den Ursachen. Da gibt es mehrere.
Die zunehmende Entertainisierung unseres gesamten Lebens, die auch vor der Politik nicht Halt macht und Wahlen immer mehr als Show inszeniert sehen will, ist eine davon. Eine weitere war wohl die "Fähigkeit" Heinz-Christian Straches und Jörg Haiders, ein Pseudo-Wir-Gefühl jenseits politischer Inhalte oder Programme zu erzeugen, das emotionale Tiefenschichten anspricht. "Er für Dich und Du für ihn." Oder: "Bei Rot, Schwarz, Grün stehen viele an erster Stelle. Nur nicht Du. Bei uns stehst Du an erster Stelle." So zweimal O-Ton Strache.
Ein dritter Grund mag die im Wahlkampf von fast allen geschürte kollektive Knappheitsangst gewesen sein, ausgelöst durch Debatten über Lebensmittelpreiserhöhungen. Die verbreitete Knappheitshysterie hat freilich nicht den Boden für eine reale Umverteilungspolitik bereitet, sondern - gewollt oder ungewollt - jenen für Sündenbock-Strategien und rassistische Ausgrenzungen à la Strache.
Werner Faymann und die Grünen unter Alexander van der Bellen setzten sich - das ist ihnen hoch anzurechnen - deutlich von den vereinfachenden Schuldzuschreibungen ab. Von der ÖVP unter ihrer neuen Führung ist zu verlangen, dass sie dies nun ebenfalls tut.
Im Wahlkampf kaum angesprochen wurden - von Ausnahmen abgesehen - Fragen der Steuerkultur und Steuergerechtigkeit, etwa die stärkere Heranziehung der leistungslosen Einkommen aus Kapital oder Immobilien oder eine andere Steueraufteilung bei den Einkommen. Faktum ist, dass die Besserverdienenden die Gewinner des gegenwärtigen ökonomischen Wandels sind. Das belegen alle Vermögens- und Einkommensstatistiken. Steuern auf Vermögen allein in Höhe des EU-Durchschnitts brächten Österreich jährlich fünf Milliarden Euro jährlich.
Damit ließe sich mehr finanzieren als Wahlzuckerl, zum Beispiel ein Investitionsschub in Bildung oder eine Grundsicherung für alle. Beides würde dem Rechtsruck der Gesellschaft entgegenwirken.
Ausblick: Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert des Wachstums, das 21. Jahrhundert muss jenes der Umverteilung werden, so der große britische Historiker Eric Hobsbawm. Er spricht damit die sozialen Sprengkräfte des gegenwärtigen Auseinanderdriftens von Arm und Reich nicht weniger an als die ökologischen Grenzen materiellen Wachstums.
Die Endlichkeit der Ressourcen ermöglicht keine Universalisierung eines Lebensstils, den unsere Konsumgesellschaft der letzten 30 Jahre geprägt hat. Denn: Nachhaltigkeit ernsthaft durchzubuchstabieren bedeutet, dass wir - im reichen Teil der Welt - uns zukünftig weniger von den allen gehörenden Naturressourcen nehmen, dass wir unseren ökologischen Fußabdruck drastisch verringern. Mit EffizienzTechnologien allein ist das nicht hinzukriegen, es braucht auch ein verändertes Konsumverhalten, das nicht auf materiellen Besitz fixiert ist. Und damit auch eine Abkehr vom nicht nachhaltigen Wirtschaftswachstum alten Stils. Davon war in den Wahldebatten freilich noch nichts zu vernehmen. Beim nächsten Mal dann vielleicht?
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