Zum Hauptinhalt springen

Die US-Jugend setzt auf den Wandel und Barack Obama

Von Alexander U. Mathé aus Denver

Politik

Zu Besuch in der Wahlkampfzentrale des Senators in Denver/Colorado. | Denver. Ganz aufgeregt und doch mit einem bestimmenden Ton legt die helle Stimme am Telefon los: "Hier in Colorado haben wir die Chance, für den Wandel, für Barack Obama, aufzustehen. Vergessen Sie bitte nicht, bis 18:30 Uhr in ihrem Wahllokal zu sein." Vielleicht fünfzehn Sekunden dauert der Aufruf - kurz, prägnant, überzeugend; ein Strich auf der Namensliste und schon wird der Nächste angerufen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Wahlkampfmaschinerie des Kandidaten für die demokratische Präsidentschaftskandidatur in den USA läuft knapp vor dem großen Votum in dem westlichen Bundesstaat auf Hochtouren. Dabei setzt Obama auf ein ausnehmend junges Team, denn die Stimme des Anrufers gehört dem 14-jährigen Kees. "Das macht mir einfach einen Heidenspaß", sagt der Sohn einer Reporterin, der trotz seines jungen Alters bereits zu den Veteranen unter den Wahlkämpfern zählt, voller Begeisterung. Er war schon 2004 in den Reihen von John Kerry als Stimmenkeiler unterwegs.

Aber auch sonst ist kaum jemand über 30 zu entdecken im Santa Fe Drive 937, der Wahlkampfzentrale Obamas in Colorados Hauptstadt Denver. Neben Kees versehen dort noch zwei 12-Jährige ihren Dienst. Einer von ihnen sogar als Kampagnenleiter eines Wahlkreises.

Es herrscht Generalmobilmachung, wenn es darum ging, potenzielle Wähler an die Urnen zu führen. Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind wird gebraucht. Schließlich bietet das Wahlkampfteam ein volles Programm: Seit Wochen werden täglich in der Obama-Zentrale Seminare abgehalten, um das komplizierte Wahlverfahren eines Caucus zu erklären, dem in Colorado herrschenden Vorwahlsystem, bei dem für eine Partei registrierte Wähler nach einer öffentlichen Diskussion und Abstimmung im kleinen Kreis entscheiden, welchen Kandidaten ihre Delegierten wählen sollen. Transportmittel müssen organisiert werden, als Wahlservice für Behinderte oder um einfach auch den letzten faulen Wähler ja noch zu den Urnen zu karren. Freiwillige klopfen sich Tag für Tag von Tür zu Tür, um die Bewohner von ihrem Kandidaten zu überzeugen. Und nicht zuletzt wird am Wahltag selbst dafür gesorgt, dass auch wirklich keiner Barack Obama vergisst.

Rekordbeteiligung

"Visibility", Sichtbarkeit, nennen das die Wahlkämpfer. In Scharen verteilen sie am Wahl-Dienstag Flugzettel und Poster oder ziehen als lebende Reklameflächen durch die Straßen Denvers. Denn das Aufstellen von Wahlwerbung auf öffentlichem Grund ist verboten. Auf privatem Grund ist das etwas anderes, daher grinst auch aus der Wahlzentrale das Bild Obamas und in fetten Lettern der Slogan: "Wann, wenn nicht jetzt?"

Der Einsatz zahlt sich offenbar aus, denn die Meinungsforscher erwarteten eine Rekordbeteiligung bei der Vorwahl in Colorado. Noch vor einer Woche hatten 18.000 Menschen Obama bei seinem Auftritt in Denver zugejubelt.

Vor allem die Jugend ist von dem charismatischen Afroamerikaner angetan. Bisher hat Obama in allen Vorwahlen einen Anteil von mindestens 50 Prozent der Wähler unter 30 erhalten, erklärt Eric Spangler am Montag stolz. Der 22-Jährige, der vor kurzem sein Studium der Politikwissenschaft abgeschlossen hat, ist Obamas Wahlkampfleiter an der Universität von Denver. Mit Genugtuung verweist er darauf, bereits tausende Studenten dazu bewogen zu haben, sich für die Wahl registrieren zu lassen. Ihm geht es um den "Wandel", wie auch Obamas Hauptslogan lautet, darum zu beweisen, dass das Establishment ausgedient hat. "Er ist der Sohn eines Kenianers und einer Amerikanerin und jetzt kann er Präsident werden. Das gibt es nur in den USA", sagt Spangler euphorisch.

Der Wandel betrifft aber nicht nur die Auflehnung gegen das Establishment, sondern auch eine neue Politik in den USA. "Ich mache mir Sorgen um unser Ansehen in der Welt", erklärt Spangler. Nur allzu gerne wäre er selber Präsident. Dann würde er als erstes die Truppen aus dem Irak abziehen und das Häftlingslager auf Guantanamo schließen.

Auf die Frage, ob er im Falle einer Niederlage Obamas für dessen Konkurrentin Hillary Clinton wählen würde, beginnt er herumzudrucksen: "Wie soll ich auf diese Frage eine offizielle Erklärung abgeben?" Eine lange Pause, dann schließlich fällt ihm ein Kompromiss ein: "Sie müsste vom Establishment wegrücken und mit ihrem Negativ-Wahlkampf aufhören." Zusatz: "Aber dazu kommt es nicht, den Obama wird die Wahl gewinnen."