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Die US-Notenbank in der Zwickmühle

Von Florian Schuh

Gastkommentare
Florian Schuh ist Portfoliomanager der Bankhaus Krentschker & Co. AG und managt dort seit vielen Jahren den Investmentfonds "AvantGarde Global Equity", der zu 100 Prozent in Aktienfonds veranlagt. Darüber hinaus verwaltet er Mandate institutioneller Großkunden.
© Thomas Raggam

Die Geld- und Zinspolitik der Federal Reserve wird in diesem Jahr spannend bleiben.


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Die US-Notenbank Federal Reserve hat am Dienstag für viele überraschend ihren Leitzins gesenkt. Es war die vierte Zinssenkung seit einer Erhöhung im Dezember 2018, die von den Märkten derart negativ aufgenommen worden war, dass der Fed nichts anderes übrig blieb, als in der Folge zinspolitisch wieder umzuschwenken. Dabei ging fast unter, dass die Fed neben den Zinssenkungen im Herbst 2019 auch wieder begann, ihre Bilanzsumme auszuweiten, vornehmlich durch Käufe kurzlaufender US-Staatsanleihen.

Begonnen hatte alles Mitte September 2019, als die Repo-Sätze (Zinssätze, zu denen sich Banken und Unternehmen Geld gegen Sicherheiten ausleihen) über Nacht in die Höhe schnellten. Die Fed interpretierte dies als Signal für eine Vertrauenskrise der Banken untereinander und startete eine Rettungsaktion: Um ähnliche Liquiditätsengpässe wie in der Finanzkrise zu vermeiden, vergab sie kurzfristige Repo-Kredite an die Banken und begann mit Käufen kurzlaufender US-Staatsanleihen in Höhe von monatlich 60 Milliarden Dollar.

Dieses Kaufprogramm hatte den Effekt, dass die Renditen am kurzen Ende der Zinskurve wieder sanken beziehungsweise sich stärker nach unten bewegten als die Renditen am langen Ende, deren Renditen maßgeblich durch Inflationserwartungen getrieben werden. So drehte die Zinsdifferenz zwischen zehnjährigen und zweijährigen US-Staatspapieren wieder ins Plus. Ein beruhigendes Signal für die Märkte, da viele Marktteilnehmer diese Zinsdifferenz oft als Indikator für eine anstehende Rezession sehen.

Die Fed befindet sich nun aber in einer Zwickmühle. Von einer Leitzinserhöhung im Dezember 2018 innerhalb eines Jahres auf drei Leitzinssenkungen umschwenken zu müssen und noch dazu ein Kaufprogramm aufzulegen, das einem inoffiziellen "Quantitative Easing 4" nahekommt, ist ein großer Schritt, den der der Markt so nicht erwartet hatte. Die Glaubwürdigkeit der Fed, die wirtschaftliche Lage im eigenen Land korrekt einschätzen zu können, hat gelitten. US-Notenbankchef Jerome Powell ist bemüht, diese Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, weswegen auch mehrmals beteuert wurde, diese neue Liquiditätsspritze nicht als "QE4" zu sehen. Darüber hinaus wurde auch kommuniziert, dass das Kaufprogramm im Laufe des Jahres 2020 wieder auslaufen soll.

"Overruled" wird diese Problematik nun aber durch das Coronavirus und dessen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Auch wenn der Markt eine weitere Zinssenkung infolge der Ausbreitung des Virus immer wahrscheinlicher erwartet hatte, kam die Höhe des Zinsschrittes doch sehr überraschend. Mit einer Senkung des Zielkorridors um 50 Basispunkte (von 1,5 bis 1,75 Prozent auf 1,0 bis 1,25 Prozent) hat sich die Fed selbst übertroffen. Meist werden Zinsschritte in der Höhe von 25 Basispunkten beschlossen. Dies zeigt, wie ernst die Fed die geänderten wirtschaftlichen Bedingungen nimmt. Ob es genug ist und auch der Druck von US-Präsident Donald Trump, der schon länger ein expansiveres Vorgehen der Fed fordert, nachlässt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.