Zum Hauptinhalt springen

"Die USA können nicht abziehen, wann sie wollen"

Von Stefan Beig

Politik

Der irakische Politiker Al-Shakarchi im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". | Wien. Eine stärkere Einmischung Europas im Irak wünscht sich der schiitische Gelehrte und irakische Politiker Dhia al-Shakarchi. "Auch wenn die USA viele schwere Fehler begangen haben, sollte Europa intensiver mit Washington kooperieren", meinte er am Dienstag bei einer Veranstaltung des Österreichisch-Irakischen Verbands für Entwicklung und der Akademikervereinigung für irakische Österreicher.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die europäische Zurückhaltung sei "Doppelmoral": "Europa unterstützte etliche arabische Diktatoren. Doch jetzt, wo die Chance auf einen Demokratisierungsprozess besteht, heißt es: Das ist innere Angelegenheit des Volkes. Dabei gefährdet der Terrorismus den Weltfrieden und Europa."

Al-Shakarchi ist gebürtiger Iraker. Ab 1980 lebte er in Deutschland, bis er 2003 als Mitglied der Dawa-Partei, der auch der jetzige irakische Ministerpräsident Dschawad al-Maliki angehört, in den Irak zog. Er war Abgeordneter im ersten Parlament nach dem Fall Saddam Husseins und wirkte am Erstellen der irakischen Verfassung mit.

Scharfe Kritik übt Al-Shakarchi an der Einmischung des Iran. Es gelte, die iranische Gefahr mit allen Mitteln, auch diplomatischen, zu bekämpfen. "Der Iran unterstützt die Islamisten und liefert ihnen Waffen."

"Irak entscheidet mit"

Ob der für das Jahr 2011 angekündigte Abzug der US-Truppen richtig sei, wollte er nicht endgültig bewerten: "Über einen Abzug der Truppen muss auch der Irak mitentscheiden. Die USA sind selber in den Irak gekommen, nun können sie nicht abziehen, wann sie wollen. Solange Sicherheit und Demokratie im Irak labil sind, kommt ein Truppenabzug nicht in Frage. Selbst die Angehörigen des alten Baath-Regimes, die gegen den US-Einmarsch waren, wollen heute keinen schnellen Abzug. Die Stimmung im Irak ist für einen geplanten Abzug, der nicht übereilt stattfindet."

2005 verließ Al-Shakarchi die Dawa-Partei und bemüht sich nun um eine Koalition aus säkularen Kräften. "Ich habe mich von den islamischen Kräften in der Dawa-Partei distanziert. Die nächsten Wahlen Ende 2009 sind eine große Chance für die säkulare Oppostion." Vor vier Jahren legte er auch das Gewand des Religionsgelehrten ab.

Heute kritisiert er den politischen Islam, der sich nach dem Sturz Saddam Husseins schnell im Irak ausbreitete. Mittlerweile gebe es in der Bevölkerung aber eine starke Sehnsucht nach Freiheit. Zentral dafür sei: "Die Religion darf sich nicht in die Politik einmischen. Allerdings gelte dem irakischen Volk jede politische Meinung eines Religionsgelehrten als "heilig und unantastbar".