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Die USA umgarnen Indien

Von Klaus Huhold

Politik

Indien ist geopolitisch immer wichtiger, weshalb der hindunationalistische Premier Modi in Washington mit höchsten Ehren empfangen wird.


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Washington. Wie sich die Zeiten doch ändern. Als Indiens hindunationalistischer Premier Narendra Modi noch Regierungschef des Bundesstaates Gujarat, in dem es schwere Ausschreitungen gegen Muslime gab, war, wurde er von den USA mit einem Visabann belegt. Modi achte die Religionsfreiheit zu wenig, hieß es damals zur Begründung. Nun als Premier wird er mit offenen Armen empfangen. Der 72-Jährige, der sich zu seinem dreitägigen Staatsbesuch in den USA aufhält, wird nach diplomatischem Protokoll gar die höchste Ehrung eines ausländischen Staatsgastes zuteil: Der Sohn eines Teeverkäufers erhält einen offiziellen Staatsempfang mit Bankett im Weißen Haus, und er spricht vor beiden Kammern des US-Kongress - ein Privileg, das gewöhnlich nur engsten Verbündeten vorbehalten ist.

Dabei ist es nicht so, dass Modi mit seiner Regierungspartei BJP von seinem hindunationalistischen Kurs abgerückt ist. Ganz im Gegenteil: Kritiker, Oppositionelle und NGOs klagen, dass ihr Spielraum immer mehr eingeschränkt ist. Die USA würden bei Modis Besuch ihre Ansichten dazu zwar übermitteln, sagte ein hochrangiger Regierungsbeamter in Washington. Aber: "Die Frage, wohin sich die demokratischen Institutionen entwickeln, wird in Indien von den Indern selbst bestimmt."

USA rüsten Indien auf

Der Grund für diese geänderte Haltung gegenüber Modi ist wohl die derzeitige geopolitische Gemengelage, in der Indien eine immer wichtigere Rolle für die USA spielt. Erst am Mittwoch hat US-Präsident Joe Biden Chinas Staatschef Xi Jinping als Diktator bezeichnet, was in Peking für Empörung sorgte und ein weiteres Zeichen dafür ist, wie sehr sich die USA und die Volksrepublik immer mehr voneinander entfernen. In Indien, das mit seinem mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern in diesem Jahr zum bevölkerungsreichsten Staat der Welt wurde, sehen die USA nun das stärkste Gegengewicht in Asien zu China. Hier überschneiden sich auch die Interessen von Washington und Neu-Delhi: Indien, das sich in einem Grenzstreit mit China befindet, sieht sich von der Volksrepublik bedroht.

Nun wird Indien von den USA aufgerüstet: Es soll Kampfdrohnen erhalten, außerdem wollen US-Rüstungsfirmen Niederlassungen in Indien gründen, was auch einen Technologietransfer mit sich bringen würde.

Ein weiterer Grund für die Waffenlieferungen dürfte sein, dass die USA Indien stärker aus dem russischen Einflussbereich lösen wollen: Bisher war Indiens Heer stark von russischen Waffenlieferungen abhängig. Indien hat auch nie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt. Vielmehr ist es Profiteur der europäischen Sanktionen und zu einem noch größeren Abnehmer russischen Öls geworden.

Und die Vereinigten Staaten können laut Politologen auch nicht damit rechnen, dass Indien ein fester Verbündeter wird. Vielmehr beharrt Neu-Delhi auf seine strategische Autonomie und betreibt oft eine Schaukelpolitik zum eigenen Vorteil. Indien versucht, einerseits von russischen Rohstoffen und andererseits von Investitionen aus den USA zu profitieren.

Doch auch für die US-Konzerne wird Indien immer attraktiver. Das Land schwingt sich gerade zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt auf, hat eine immer besser ausgebildete Bevölkerung und hält gleichzeitig viele billige Arbeitskräfte bereit. Tesla, Amazon oder Apple - zahlreiche Schwergewichte der US-Wirtschaft planen neue Produktionsstätten in Indien oder schon vorhandene auszubauen.

Modi hat sich bei seinem Besuch auch bereits mit Tesla-Chef Elon Musk getroffen, der danach meinte, dass er ein "Fan" von Modi sei und so bald wie möglich in Indien investieren wolle. Der indische Premier dürfte mit einigen lukrativen Deals in seine Heimat zurückkehren. Und die Regierung in Washington zählt darauf, dass auch ein verstärkter wirtschaftlicher Austausch Indien enger an die USA bindet.