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Die USA wollen Russland ins Boot holen

Von David Ignatius

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Mit seinem Kurs gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zieht sich Barack Obama Kritik zu.


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Russlands Defensivität, nahe an der Paranoia, wird dadurch veranschaulicht, dass einige hochrangige russische Regierungsbeamte die jüngste Aufregung um Gas und Öl als US-Propaganda auffassen, dazu bestimmt, Moskaus Einfluss als Energieerzeuger zu untergraben. Wladimir Putins Russland ist sehr empfindlich. Es trägt eine schwere Last an Ressentiments, die die zerschmetterten Ambitionen einer auseinandergebrochenen Supermacht spiegelt. Aber Russland ist immer noch ein Land, das - trotz all seiner Übel - imstande ist, diplomatische Schritte der USA zu unterstützen oder zu blockieren.

Die US-Regierung sucht am Beginn von Präsident Barack Obamas zweiter Amtszeit nach Wegen, Russland ins Boot zu holen. Ganz oben auf der Liste stehen die Probleme, die den USA am meisten Kopfzerbrechen bereiten: Syrien, Iran und Nordkorea. Das Weiße Haus glaubt, auch Putin sei nach der frostigen Periode wieder zur Zusammenarbeit bereit. US-Vizepräsident Joe Biden bemühte sich am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz überschwänglich um Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Tom Donilon, nationaler Sicherheitsberater der USA, will bald nach Moskau reisen und mit Putin über Rüstungskontrolle und anderes sprechen. Der neue US-Außenminister John Kerry sprach vorigen Sonntag mit Lawrov und will ihn bald treffen. Und Obama wird mit Putin wahrscheinlich im September vor dem G20-Gipfel in Russland zusammenkommen.

Bidens Treffen mit Lawrow veranschaulichte das neue Bemühen um Zusammenarbeit. Biden sprach an, dass Russland jene syrische Einheit ausgebildet hat, die für chemische Waffen zuständig ist, und schlug vor, beim Sichern dieser Waffen zusammenzuarbeiten, wenn das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assads endlich fällt.

Diese diplomatischen Manöver sind ermutigend. Sie sind aber nur schwache Lichtstrahlen vor dem dunklen Hintergrund der Unterstützung Russlands für Assad in einem Krieg, der bisher mehr als 60.000 Syrer das Leben gekostet hat. Ein Teil der Frustration im Umgang mit Putin bezieht sich darauf, dass für ihn alles aufs Geschäftemachen hinauszulaufen scheint. Die russischen Friedensbemühungen für Syrien oder die Unterstützung, das iranische Atomprogramm zu begrenzen, haben einen Preis. Aber worin besteht der?

Wenn er das wüsste, könnte Obama das Geschäft machen. Seine Kritiker sagen, die Annäherungsversuche würden Putin nur in dessen repressiver Politik bestärken: Er unterstütze Assads brutalen Krieg, weil er selbst ähnliche Kriege in Tschetschenien geführt habe.

Ein klassisches Dilemma: Interessen geraten mit Werten in Konflikt. Schon in Obamas erster Amtszeit traf die US-Regierung eine ähnliche Entscheidung: dass ein positives "Reset" mit Russland den Vorrang habe vor Raketenabwehr, Nato-Expansion und anderem. Dies öffnete den Weg für Russlands Unterstützung der UN-Sanktionen gegen den Iran. Um nun zu bekommen, was er will, muss Obama das Tor nach Russland öffnen.

Übersetzung: Redaktion

Originalfassung "Sizing up Russia's big shoulders"