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Die Verfassungsrichter dürften der Politik einen Handlungsauftrag geben

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Der politische Wille, sich der Einheitswerte (und einer Anhebung der Grundsteuer) anzunehmen, ist gering. Es ist ein Thema, das jeden betrifft und somit keinen kaltlässt: Hausbesitzer und Mieter müssen Grundsteuer zahlen; Bauern entrichten auf dieser Basis ihre Steuern. Jede Erhöhung sorgt also zuverlässig für einen Aufschrei aus zahllosen Wählerkehlen.


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Die SPÖ hat zwar im Frühjahr eine Debatte über eine Neubewertung der Einheitswerte angestoßen, die Stoßrichtung war freilich klar: Die Partei sieht eine unzulässige Bevorzugung der Bauern, weil die Einheitswerte für Agrarflächen zuletzt 1988 ermittelt wurden. Finanzminister Josef Pröll hat bisher nur Gespräche über eine Neubewertung bestätigt. Über eine Anhebung der Grundsteuer will er nicht reden - zumindest nicht jetzt.

Im Dezember könnte das freilich anders aussehen und die Debatte neue Nahrung erhalten, wenn die Sparanstrengungen konkretisiert werden müssen. Es gibt namhafte Fürsprecher einer Grundsteuer-Reform: von der OECD über den Währungsfonds (IWF) bis hin zu den Wirtschaftsforschern von Wifo und IHS - und natürlich die Gemeinden: Für diese ist die Grundsteuer eine maßgebliche Finanzierungsquelle.

Deshalb ist es auch unwahrscheinlich, dass die Grundsteuer (so wie 2007 die Erbschafts- und Schenkungssteuer) gleich als Ganzes entsorgt wird, falls die Verfassungsrichter die derzeitige Praxis tatsächlich als unsachlich kippen sollten. Für diesen Fall müsste nämlich über den Finanzausgleich eine Kompensation seitens des Bundes gefunden werden - in Zeiten, da Sparpakete geschnürt werden müssen, eine unrealistische Annahme.

Weit vom Wert entfernt

Die Einheitswertfeststellung hat eine lange Tradition. Es stellt sich die Frage, warum diese nicht - wie vorgesehen - regelmäßig alle neun Jahre erfolgt. Die Antwort ist laut Experten simpel: Es bedeutet einen enormen Personal-, Logistik- und Kostenaufwand, den Wert von land- und forstwirtschaftlichen und sonstigen Liegenschaften adäquat zu ermitteln. Experten zweifeln, dass die Bewertungsstellen der Finanzämter dafür ausgestattet sind. Immerhin wurden diesen über die Jahre hinweg auch immer neue, zusätzliche Aufgaben aufgebürdet. Das Interesse an der Wertfeststellung ist weiter gesunken, seit die Einnahmen für den Bund aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer wegfallen.

Einheitswert und Verkehrswert klaffen mittlerweile weit auseinander. Deshalb wurden in der Vergangenheit eher willkürliche Annahmen getroffen: Für Immobilien, die in Stiftungen eingebracht werden, wird etwa der dreifache Einheitswert herangezogen. Für nicht-agrarische Immobilien wurde der Wert seit 1973 pauschal um 35 Prozent angehoben - beides fragwürdig. Nun könnten es die Verfassungsrichter sein, die der Regierung einen unmissverständlichen Handlungsauftrag erteilen.

Siehe auch:Grundsteuer steht auf dem Prüfstand