Am Freitag sitzen einander erstmals bisherige Gegner als Verhandlungspartner für eine künftige Regierung gegenüber. Dort müssen in beiden Gruppen einmal Wunden geleckt werden. Auf Seiten der SPÖ rühren diese noch aus den beiden vorangegangenen Regierungsgesprächen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Schon 2002 verhandelten für die SPÖ Alfred Gusenbauer, Michael Häupl, Hans Niessl, Gabi Burgstaller, Josef Cap und Barbara Prammer (heuer wurde dieses Team um Franz Voves, Norbert Darabos, Doris Bures und Wilhelm Haberzettl ergänzt). Vis à vis saßen und sitzen Wolfgang Schüssel, Maria Rauch-Kallat und Wilhelm Molterer (erweitert um Ursula Plassnik, Karl-Heinz Grasser, Erwin Pröll, Josef Pühringer, Hermann Schützenhöfer und Fritz Neugebauer).
Aus den Namen der Teams lässt sich einiges ableiten: Beide Parteien haben ein möglichst breites Spektrum eingebracht. Gusenbauer hat sowohl seine Kritiker als auch die Gewerkschaft eingebunden. 2002 war die Gewerkschaft in der SPÖ nicht vertreten, hatte doch Rudolf Nürnberger im Jahr 2000 die ausgehandelten Vereinbarungen mit der ÖVP nicht mitgetragen und so maßgeblich zum Scheitern einer Neuauflage der großen Koalition beigetragen. Schüssel wiederum hat ein Mixtum aus seinen engsten Vertrauten und mächtigen Ländervertretern gebildet.
Darunter allerdings viele, die mittlerweile keine prononcierten Befürworter einer großen Koalition sind. Pühringer, der in Oberösterreich mit den Grünen regiert, sieht sich nicht als "Protegé" einer SPÖ-ÖVP-Regierung. Auch Schützenhöfer, der zwar in der Steiermark mit Voves auf einer rot-schwarzen Regierungsbank sitzt, hat seine Vorbehalte gegen eine solche bereits artikuliert. Ganz zu schweigen von Grasser, der für die SPÖ als rotes Tuch gilt und nach deren Willen auf keinen Fall einer gemeinsamen Regierung angehören soll.
Bleibt als alleinige Hoffnung für die SPÖ Niederösterreichs Pröll, den mit Häupl freundschaftliche Bande verknüpfen. Ob dieser aber nach den hohen ÖVP-Verlusten in Niederösterreich großen Einfluss geltend machen kann, bleibt abzuwarten, zumal Pröll nicht zu den Intimfreunden Schüssels zählt.
Welches Kalkül verfolgt der Bundeskanzler mit dieser Zusammenstellung? Betrachtet man die Gesichter der ÖVP-Verhandler, so fällt auf, dass mit Ausnahme von Plassnik und Molterer wohl kaum jemand einer SPÖ-geführten Regierung angehören wird. Daraus könnte man ein rückwärts gewandtes Signal ableiten, eines, das jeden Ausgang offen lässt.
Die aufstrebende Figur in der ÖVP-Riege, Josef Pröll, wird erst gar nicht mit den Niederungen von Verhandlungen konfrontiert, sondern erhält eine eigene Arbeitsgruppe: Er soll Perspektiven für eine neue Volkspartei entwickeln. Möglicherweise für eine Zeit, in der er selbst der Partei vorstehen und bei Neuwahlen als Spitzenkandidat das Rad der Zeit zurückdrehen soll. Verhandlungen mit offenem Ausgang stehen bevor.