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Die Verkünder des Wetters

Von Andrea Ojdanic

Wissen

Seit eh und je ziehen Wolken die Wissenschafter in ihren Bann. Das CLOUD-Experiment am CERN in Genf gewinnt nun neue Erkenntnisse über das rästelhafte Ereignis der weißen Riesen.


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Die Wolken als Ursprung des Regens, aber auch als sichtbare Verkünder und gestaltende Elemente des Wetters wurden von der Wissenschaft immer mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet. Aber wie entstehen Wolken? Und wie wirken sie sich auf unser Klima aus?

Fragen wie diesen gehen Forscher aus aller Welt im Rahmen des CLOUD-Projekts unter der Leitung von Jasper Kirkby am CERN in Genf auf den Grund. Auch die Forschungsgruppe von Paul Winkler von der Fakultät für Physik der Universität Wien beteiligt sich an dem langfristigen internationalen Projekt, das den Wolkenentstehungsprozess analysiert.

Reif, Dunst, Nebel und andere meteorologische Erscheinungen helfen Wissenschaftern, Naturstimmungen eindringlich zu beschreiben. Die Entstehung und Entwicklung von Wolken lässt sich physikalisch einfach nachvollziehen: Die Sonne erwärmt die Erdoberfläche. Dadurch verdunstet Wasser aus Meeren, Seen, Flüssen sowie Pfützen. Wassermoleküle steigen mit der warmen Luft in den Himmel. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wassermoleküle können nach oben steigen. Auf dem Weg in die Höhen kühlt das Gemisch aus Luft und Wasser ab - der Wasserdampf kondensiert. Winzige Wassertröpfchen entstehen, wenn die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist.

Staub, Salz und Ruß

Wolken sind jedoch weitaus mehr als nur Wasserdampf. Damit eine Kondensation stattfinden kann, sind winzige Kondensationskerne - sogenannte Aerosolpartikel - notwendig, an die sich die Wassermoleküle anlagern können. Diese Partikel schweben in der Luft und haben eine Größe von einem bis 1000 Nanometern. Neben natürlichen Aerosolpartikeln - etwa von Winden aufgewirbeltem Wüstenstaub oder Meersalz - gibt es eine Vielzahl von Aerosolen, die durch den Menschen in die Atmosphäre gelangen. Dazu zählt etwa Ruß, der von der Industrie, privaten Haushalten und von Fahrzeugen emittiert wird.

Die Wassermoleküle haften an den Aerosolpartikeln und bilden sogenannte Cluster. Der Durchmesser dieser Cluster bewegt sich typischerweise im Bereich von zwei bis zehn Mikrometern. Diese Umwandlung von Gasen in feste oder flüssige Partikel wird als Nukleation bezeichnet. Dies ist der erste Schritt bei der Entstehung von Wolkentröpfchen.

Wolken spielen eine große Rolle beim Klimawandel, da sie einen starken Einfluss auf die Energiebilanz der Erde haben - Änderungen von nur wenigen Prozent haben bereits eine große Auswirkung auf das Klima. Es ist allerdings schwierig, die Entstehung von Wolken exakt vorherzusagen, da die Berechnung und Voraussage von Vorgängen in der Atmosphäre sehr komplex ist.

Wolken können zwischen dem Erdboden und einer Höhe von etwa vierzehn Kilometern vorkommen. Am häufigsten erscheinen sie in den untersten drei Schichten der Atmosphäre - der Troposphäre, Stratosphäre und Mesosphäre.

Die richtige Deutung von Form, Aussehen und Höhe der Wolken sowie der zeitlichen Änderung dieser Merkmale löst zahlreiche Probleme der Wissenschaft. Dazu zählen etwa Vorhersagen zum lokalen Wetter und der Niederschlagsverteilung auf der Erde sowie Aussagen über die Atmosphärenchemie. Ebenso hat das Zusammenspiel der zahlreichen Faktoren einen Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Erde und somit auf die globale Erwärmung.

Dieser Effekt lässt sich besonders im Sommer gut beobachten: Ist der Himmel grau und bedeckt, sind viele Wolken vorhanden, so dass sie den Sonnenstrahlen den Weg versperren. Dadurch sinkt die Globalstrahlung und es wird schnell spürbar kälter. (Der Begriff Globalstrahlung bezeichnet die gesamte auf die Erdoberfläche auftreffende Sonnenstrahlung - sowohl die direkte als auch die an Wolken und Aerosolen gestreute.)

Mehrfachreflexionen

Von der erwärmten Erdoberfläche geht eine gewisse Wärmestrahlung aus, die durch die Wolkendecke zu einem bestimmten Anteil zurück auf den Erdboden reflektiert wird. Daher sind in einer klaren Nacht die Temperaturen niedriger als in einer bedeckten, da die terrestrische Wärme ins Weltall entweicht.

Wie viel Sonnenstrahlung eine Wolkendecke durchdringen und damit die Erdoberfläche erwärmen kann und wie viel von dieser terrestrischen Wärmestrahlung in der Atmosphäre absorbiert und auf die Erde zurückstrahlt, wird durch die Dicke der Wolke bestimmt. Dabei kann es beliebig oft zu komplizierten Mehrfachreflexionen zwischen Wolkenunterseite und Erdboden kommen.

Effekte wie diese lassen sich ebenso in Wüsten beobachten, wo ein bedeckter Himmel selten vorkommt. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind daher deutlich höher, da nachts die Wärme ins Weltall entweichen kann. Dies ist die eigentliche Ursache des Treibhauseffekts, spielt also eine wichtige Rolle in Bezug auf die globale Erwärmung.

Inwiefern Wolken das Klima beeinflussen, steht allerdings nach wie vor nicht fest. Viele Details zur Wolkenbildung sind noch unklar und stellen daher den größten Unsicherheitsfaktor in Klimamodellen dar.

Bereits 1998 versuchten zwei dänische Wissenschafter, Henrik Svensmark und Eigil Friis-Christensen, das Rätsel um den Einfluss der Sonnenaktivität auf die Wolkenbildung und die Erdatmosphäre zu lösen. Nach jahrelanger Vorbereitung wurde 2009 das Klimaexperiment unter dem Namen CLOUD (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) am CERN in Genf ins Leben gerufen. Heute sucht ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftern aus 17 Instituten in neun Ländern nach Antworten - unter anderem, wie gesagt, auch Aerosolphysiker von der Universität Wien unter der Leitung von Paul Winkler.

Das CLOUD-Experiment liefert exakte experimentelle Daten zur Nukleation. Damit lassen sich die Wolkenbildung und folglich die Auswirkungen auf das Klima genauer vorhersagen. Allerdings kann bei dem Experiment nicht die komplette Bandbreite möglicher Wetterbedingungen berücksichtigt werden.

Die Wissenschafter verwenden eine spezielle Nebelkammer, in der die Atmosphäre künstlich dargestellt wird. Die Kammer besteht aus einem vier Meter hohen Zylinder, in dem Wolken unter kontrollierten Bedingungen entstehen.

Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Ionisierung und die Konzentration der Spurengase lassen sich genau kontrollieren. Die kosmische Strahlung wird über den Teilchenbeschleuniger am CERN künstlich erzeugt. Ein Strahl von Protonen wird dabei durch die Nebelkammer geleitet und deren Auswirkungen auf die Produktion der Aerosolpartikel und die Wolkenbildung mit einer Vielzahl externer Instrumentierungen analysiert.

Erste Erkenntnisse

Ziel des Klimaexperiments ist es, chemische Verbindungen nachzuweisen, die zur Nukleation und der Wolkenbildung beitragen. Die Ergebnisse sollen zum Grundverständnis von Aerosolen und Wolken beitragen und damit die Auswirkungen auf das Klima untersuchen. Ein wichtiges Ergebnis des CLOUD-Experiments zeigt, dass Schwefelsäure ein bedeutendes Element bei der Wolkenkeimbildung darstellt. Aufgrund ihres hohen Siedepunkts und niedrigen Dampfdrucks spielt sie eine tragende Rolle. Die Schwefelsäure-Moleküle haften an den Clustern und können ein Verdunsten verhindern. Sie allein reichen allerdings nicht aus, um die große Ansammlung von Molekülen zu stabilisieren.

Auch Wälder beeinflussen das Klima. Ein weiteres wichtiges Ergebnis des CLOUD-Experiments zeigt, dass bestimmte hoch oxidierende, organische Aerosolpartikel biologischen Ursprungs ebenso einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Wolkenkondensationskerne beitragen. Sie wirken wie eine Art Klebstoff und stabilisieren das Schwefelsäure-Cluster. Dadurch können sich die Cluster leichter zu Wolkenkondensationskeimen entwickeln.

Forscher des CLOUD-Experiments fanden heraus, dass die stabilen Keime Alpha-Pinen enthalten. Diese Flüssigkeit ist in Fichten- und Kieferwäldern für den typischen Geruch verantwortlich und wird vor allem in der warmen Jahreszeit von Bäumen abgesondert und in der Atmosphäre oxidiert.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis von CLOUD zeigt, dass unter dem Einfluss der kosmischen Strahlung - einer hochenergetischen Partikelstrahlung, die von der Sonne, den Planeten und fernen Galaxien kommt - die Nukleation um das Zehnfache verstärkt wird. Die geladenen Partikel regnen auf die Erdatmosphäre und beeinflussen die Aerosole, die für die Wolkenbildung zuständig sind.

Dieser Effekt wurde bei den Wolkenbildungsversuchen mit Schwefelsäure und Alpha-Pinen in der Nebelkammer beobachtet. Er kommt insbesondere bei kalten Temperaturen der mittleren und oberen Troposphäre zustande. Ebenso stellt sich heraus, dass die Ionen der kosmischen Strahlung eine stärkere Kleberwirkung haben als neutrale Moleküle. Die geladenen Partikel stabilisieren die Cluster, allerdings nur bei niedrigen Konzentrationen von Schwefelsäure und organischen Oxiden.

Ungelöste Fragen

Mit dem neuen Modell lassen sich die äußerst komplexen saisonalen Schwankungen der Keimbildung im Laufe eines Jahres real beschreiben. Damit ist bestätigt, dass die Emissionen aus Wäldern eine grundlegende Rolle in der Wolkenbildung spielen. Allerdings ist bis heute nicht geklärt, welche Komponenten tatsächlich dazu beitragen, dass die Partikel stabil und groß genug sind, um Wolken zu bilden.

Mit der kommenden Messkampagne des CLOUD-Experiments in Genf hoffen die Wissenschafter auf neue Erkenntnise über die rätselhaften Ereignisse in der Erdatmosphäre.

Wolken bleiben weiterhin ein Mysterium: Sie ziehen sich als sanfte Schleier über den Himmel, sie türmen sich in der Atmosphäre auf wie riesige Festungen, die sich in apokalyptischen Gewittern entladen können, oder liegen tief wie ein grauer Vorhang über der Landschaft.

Vor allem aber ziehen die sich wandelnden Formen der Wolken, ihre permanente Veränderung, ihre scheinbare Greifbarkeit und gleichzeitig ihre völlige Unnahbarkeit sowie die sich dadurch aufdrängenden Fragen nicht nur Wissenschafter, sondern auch viele Künstler und Tagträumer in den Bann. Die Rätsel um die weißen, luftigen Riesen sind also längst nicht vollständig gelöst.

Andrea Ojdanic,1992 in Bos-nien geboren, lebt in Wien und studiert Physik an der Universität Wien mit Spezialisierung auf Aerosol- und Umweltphysik.