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Die verlorene britische Generation

Von Melanie Sully

Gastkommentare

Möglicherweise stimmten viele Bürger für den Brexit, weil sie wirklich glauben, dass dieser langfristig Vorteile für die zukünftigen Generationen bringen wird.


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Eine Untersuchung, die unmittelbar nach dem Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens durchgeführt wurde, behauptete, dass die Jugend einfach nicht abgestimmt habe. Spätere Daten (durch die London School of Economics) zeigen jedoch, dass die Jugend sehr wohl eine relativ hohe Beteiligung am Referendum aufweist. Sie war engagiert und nahm an TV-Duellen teil. Interessanterweise lag die Wahlbeteiligung in Schottland, das für den Verbleib in der EU stimmte, unter dem Durchschnitt, was die Komplexität der Abstimmung veranschaulicht.

Schottland wie auch Wales und Nordirland hatten Ex-Premier David Cameron öffentlich beschworen, das EU-Referendum nicht im Juni direkt vor den Schulferien und inmitten der Prüfungszeiten abzuhalten. Die Verwirrung bei jungen Menschen bezüglich der Eintragung in der Wählerevidenz endete mit einem Ansturm in letzter Minute. Darüber hinaus fand am Tag des Referendums das bei jungen Menschen sehr beliebte Glastonbury Musik Festival statt, wo es kein Wahllokal gibt. Aber wurde die Jugend von der älteren Generation im Stich gelassen? Warum sollte die Gruppe der über 55-Jährigen, die mitunter noch 30 Jahre vor sich haben, nicht an ihre eigene Zukunft denken?

Das Recht, seine Stimme abzugeben, kann nicht mit Vorstellungen fiktiver sozialer Solidarität in Zusammenhang gebracht werden. Viele aus dieser Generation zahlen übrigens Gebühren, um die Hochschulbildung junger Familienmitglieder zu unterstützen. Viele sehen sich in ihren letzten Jahren allein in Altenpflegeheimen, da die Jungen andernorts Wurzeln schlagen oder keine Zeit haben. Und möglicherweise haben viele britische Bürger für den Brexit gestimmt, weil sie wirklich glauben, dass dieser langfristig Vorteile für die zukünftigen Generationen bringen wird. Diesbezüglich müssen wir wohl abwarten. Wenn es wahr ist, dass die Attraktivität der EU mit einem Friedensprojekt verbunden wird, wie kommt es dann, dass jene Generation, die dem jüngsten Krieg am nächsten war, so unbeeindruckt davon ist?

Falls es wirklich einen Generationskonflikt gibt, wie wird dieser gelöst? Mehr Projekte für die Jugend stellen eine Möglichkeit dar. Ist die ältere Generation jedoch unzufrieden, mag es sinnvoll sein, dieses Problem anzugehen. Und sollten jene ohne Hochschulabschluss die EU für unattraktiv halten, wäre es sinnvoll, ihnen ebenfalls Hoffnung für die Zukunft zu geben.

Die Lösungen müssen mehr auf das Problem gerichtet sein, um Wirkung zu zeigen. Meinungsumfragen seit dem Referendum zeigen uns, dass die Zahl der Brexit-Gegner wächst. Jedoch beruht dies mehr auf der Angst vor negativen Konsequenzen, wie in Großbritannien zu sehen ist. Das stärkste Wahlmotiv für den Verbleib in der EU war Angst vor dem Austritt. Eine Herausforderung für die EU ist nun, ein Projekt der Hoffnung zu vermitteln - statt die Bürger durch Angst zu halten.